II.6. Verben
II.6.1. Einführung
Allgemein unterscheidet das fergiartische Verb zwei Genera verbi
(Aktiv, Mediopassiv), vier Modi (Indikativ, Konjunktiv, Optativ,
Imperativ) und acht Tempora (Präsens, Aorist, Perfekt, Futur
und davon abgeleitet die Vergangenheitsformen Imperfekt, 2. Aorist,
Pluperfekt und Futur II. Bis auf das Futur II werden alle Formen
des Verbs synthetisch (d.h. durch Stammerweiterung) gebildet.
Dazu kommen noch die entsprechenden Infinitive und Partizipien,
sowie ein Gerundium.
Nach der Art, in der vom Verbstamm ausgehend die einzelnen Personen
der jeweiligen Verben gebildet werden, unterscheidet man zwei
große Flexionsklassen: thematische und athematische (oder
auch starke und schwache) Flexion. Dieser Unterschied zieht sich
bis auf das Perfekt durch alle Formen.
Bei den thematischen (starken) Verben wird zwischen Verbstamm
und Personalendung ein sogenannter "Themavokal" eingeschoben;
und zwar -a- (bzw. -o- wenn betont und -u- im Konjunktiv) in der
1., 4. und 6. Person, und -e- in den übrigen Personen.
II.6.2. Thematische
Flexion
Nach der Bildung ihres Stammes unterscheidet man neun Präsensklassen.
Von dieser Einteilung her läßt sich allerdings das
Verhalten einzelner Verben in den anderen Tempora nur bedingt
voraussagen, da andere Bedingungen über die Bildungsweise
entscheiden (allerdings mit wenigen Ausnahmen).
1. thematische
Präsensklasse:
Hierzu gehören alle "einfachen" Verben, d.h. Verba
ohne Erweiterung, bzw. alle Verben, die nicht zu den Klassen 3
- 10 gehören. Dies sind Verben wie gênenni (fassen),
lìkenni (lassen) und vèrenni (bringen).
2. thematische
Präsensklasse:
Diese Klasse umfaßt Verben mit redupliziertem Präsens.
Redupliziert wird jeweils der erste Konsonant, wobei der Stamm
in einer abgestuften Form erscheint. Vergleiche: yignu
(ich bringe hervor), yeyane (ich habe hervorgebracht) zu
yìgnenni (hervorbringen, gebären). So auch
dikket (es paßt), dedase (es hat gepaßt)
zu dìkenni (passen).
3. thematische
Präsensklasse:
Hierzu gehören alle Verben, deren Stamm auf -y endet (Ausnahme:
Iterativa/Intensiva der 4. Klasse). Dies sind einmal erweiterte
Verbwurzeln wie gaiyenni (kommen) oder fèyenni
(spähen), sodann Denominativa wie òyenni (vermehren)
zu oya (Vermehrung, m.), schließlich Erweiterungen
zweiten Grades wie bei stroiyenni (vernichten, ganz und
gar verstreuen) zu stroinenni (verstreuen).
Eine Untergruppe der 3. Klasse geht wie haipyenni (sehen)
auf Konsonant + y aus, bildet aber ihr Präsens nach der 3.
Klasse.
4. thematische
Präsensklasse:
Diese Klasse umfaßt Iterativa und Intensiva auf -y und -sh;
diese sind zumeist von athematischen Verben abgeleitet. Hierher
gehören z.B.: pîyenni (zerstören) von pîni
(beschädigen) oder kroishenni (ausrufen) zu kroini
(rufen).
Eine andere Gruppe dieser Verben umfaßt Intensiva auf -t
wie yàttenni (schleudern) zu yaiyenni (werfen)
und Iterativa wie hêrenni (hin- und herlaufen) oder
mênenni (grübeln).
5. thematische
Präsensklasse:
In der 5. Klasse finden sich Denominativa und -verbativa mit n-Infix
oder -Suffix. Verba mit n-Infix haben zumeist reduzierte Wurzeln,
wie yòngenni (verbinden, anschirren) zu yoyan
(Joch, n.). Verben mit Nasalsuffix sind z.B.: tòlnenni
(dulden) oder stroinenni (verstreuen).
6. thematische
Präsensklasse:
Zur sechsten Klasse gehören alle Inchoative, die z.T. reduplizierte
Stämme oder solche mit langem Vokal haben und zumeist auf
-k enden. Beispiele: blûkenni (erblühen), lêkkeni
(losgehen, beginnen).
7. thematische
Präsensklasse:
Hierzu gehören alle Kausativa auf -èy- wie arèyenni
(trocknen), desèyenni (zurechtmachen) oder sesèyenni
(blenden). Es kommen jedoch auch andere Typen vor (z.B. Deverbativa
mit kausativem Sinn).
8. thematische
Präsensklasse:
Diese Klasse umfaßt Ableitungen
von Adjektiven, die weitergehende Bedeutung haben; diese enden
auf -mb. Beispiele: pràmbenni (voranstehen), pòmbenni
(vermindern) oder gratàmbenni (begrüßen).
9. thematische
Präsensklasse:
Diese letzte thematische Präsensklasse
umfaßt die stativen oder Zustandsverben wie gendîmeni
(haben), tasîmeni (schweigen) oder letêmeni
(verborgen sein). Im Präsens haben diese Verben ein -y- nach
dem Erweiterungsvokal, im Aorist dagegen nur den Vokal; vgl.:
gendîyu (ich habe), aber gendîn (ich
habe [gerade]).
Die Konjugation all dieser Verben im Präsens Indikativ und
Konjunktiv Aktiv und Mediopassiv, sowie im Imperativ und Optativ
(Aktiv und Medium) ist weitgehend einheitlich. Im Folgenden sei
das Paradigma von vèrenni (bringen) vorgeführt.
-) Präsens Indikativ Aktiv:
1. Pers. | veru | 4. Pers. | veram |
2. Pers. | verey | 5. Pers. | veret |
3. Pers. | veret | 6. Pers. | verant |
-) Medium
1. Pers. | verame | 4. Pers. | vèrande |
2. Pers. | vereyu | 5. Pers. | verebe |
3. Pers. | veretu | 6. Pers. | vèrantu |
-) Präsens Konjunktiv Aktiv:
1. Pers. | verun | 4. Pers. | verum |
2. Pers. | vere | 5. Pers. | veret |
3. Pers. | veret | 6. Pers. | verunt |
-) Medium
1. Pers. | veruma | 4. Pers. | vèrunde |
2. Pers. | vereya | 5. Pers. | verebe |
3. Pers. | vereta | 6. Pers. | vèrunta |
-) Imperativ Aktiv:
2. Pers. | ver! | 5. Pers. | viarte! |
Anm. Die eigentliche Form der 5. Person des Imperativ ist -te.
-) Medium
2. Pers. | vereya! | 5. Pers. | veresa! |
-) Präsens Optativ Aktiv:
1. Pers. | verun | 4. Pers. | verum |
2. Pers. | veru | 5. Pers. | verut |
3. Pers. | verut | 6. Pers. | verunt |
-) Medium:
1. Pers. | veruma | 4. Pers. | vèrunda |
2. Pers. | veruya | 5. Pers. | verube |
3. Pers. | veruta | 6. Pers. | vèrunta |
II.6.3. Athematische
Flexion
Die athematischen oder schwachen Verben sind wiederum in vier
Klassen aufgeteilt, zu denen allerdings noch einige Sonderfälle
treten. Auch hier ist die Konjugation der einzelnen Klassen im
Präsens Indikativ/Konjunktiv etc. wieder sehr einheitlich;
dergestalt daß in der 4. - 6. Person gegenüber der
1. - 3. Person eine abgeschwächte Form des Stammes verwendet
wird - was allerdings z.T. duch lautliche Entwicklungen verwischt
wird.
1. athematische
Präsensklasse:
Die 1. Präsensklasse der athematischen Verben beinhaltet
alle einsilbigen Stämme der Struktur K(K)V(K), die auf Kurzvokal,
Nasal oder Liquida enden, sowie alle vokalischen Verben. Beispiele:
kroini (rufen), sini (liegen), luni (waschen),
hiarnu (s. bewegen, mediales Verb), meneni (denken)
und ini (gehen).
2. athematische
Präsensklasse:
Hierzu gehören alle Verben der Stammstruktur VK wie ereni
(in Bewegung setzen), aleni (ernähren) oder edeni
(essen). Diese Verben verhalten sich auch im Plural ganz regelmäßig
(sofern sie auf Nasal oder Liquida enden), auch wenn dies auf
den ersten Blick nicht so scheinen mag; vgl.: alni (ich
ernähre, m. -lm- Þ -ln-), alne (wir ernähren),
eru (ich setze in B.), arme (wir setzen in B.).
Bei Verben wie edeni tritt im Plural Reduplikation des
Typs VK-VK ein, mit Wechsel des Vokals der zweiten Silbe; vgl.:
edu (ich esse), èdamme (wir essen), èdatte
(ihr eßt), etc.
Eine Untergruppe dieser Verben behält im Plural seinen ursprünglichen
Stamm; vgl.: emi (ich ruhe), eme (wir ruhen); zu
îyeni (ruhen). Weitere Beispiele: ûreni
(reden) - ormi (ich rede) - orte (ihr redet); êreni
(pflügen) - armi (ich pflüge).
3. athematische
Präsensklasse:
In der 3. Klasse finden sich einsilbige Verbstämme mit einem
Langvokal in den ersten drei Personen. Im Rest des Paradigmas
tritt eine Reduplikation wie in der 2. Klasse der thematischen
Verben auf; allerdings tritt hier in der abgeschwächten Form
des Stammes noch ein Vokal auf (vgl.: didame: wir geben,
aber: dikket: es paßt). Ein Teil der auf s-anlautenden
Stämme hat in der Reduplikationssilbe hi-.
Beispiele (m. Redupl.): p1îni (füllen): pìpla-;
pôni (trinken): pìpa-; sêni
(stehen): hìsa-; sîni (setzen): sìsa-;
vêni (sagen): vìva-.
4. athematische
Präsensklasse:
Hier sind zweisilbige Verben mit einem Langvokal in der 2. Silbe
wie demêni (bauen), perîni (anzünden)
oder pelêni (ausbreiten) zu finden. Diese zeigen
im Plural keine Reduplikation, haben aber den abgeschwächten
Vokal (mit Beibehaltung der Betonung); also z.B.: demêmi
(ich baue) - demàme (wir bauen).
Von den Sonderfällen der athematischen Verben sind in Bezug auf das Präsens nur zwei von Bedeutung: eyeni (sein) bildet seine 2., 4. und 5. Person von einem suppletiven Stamm: voiyi (du bist), vome (wir sind) und vote (ihr seid); dagegen: emi, esi, hant (ich bin, er ist, sie sind). gudeni (wissen) hat keine Präsensformen, dafür hat sein Perfekt präsentische Bedeutung.
Als Beispiel für das Präsensparadigma der athematischen
Verben dient im Folgenden kroini (rufen):
-) Präsens Indikativ Aktiv:
1. Pers. | kroimi | 4. Pers. | krome |
2. Pers. | kroiyi | 5. Pers. | krote |
3. Pers. | kroiti | 6. Pers. | kronti |
-) Medium:
1. Pers. | kroime | 4. Pers. | kromese |
2. Pers. | kroiyu | 5. Pers. | krobe |
3. Pers. | kroitu | 6. Pers. | krontu |
-) Präsens Konjunktiv Aktiv:
1. Pers. | krevan | 4. Pers. | krevam |
2. Pers. | kreve | 5. Pers. | krevet |
3. Pers. | krevet | 6. Pers. | krevant |
Anm. Wie an kroini ersichtlich, findet im Konjunktiv
der 4. - 6. Pers. keine Stammabschwächung statt. Wie bei
sini (liegen): seyam etc., kann auch ein -y- im
Stamm auftauchen. Bei Verben der 3. Klasse wird (bis auf Fälle
wie pôni, trinken: payam) die Reduplikation
durch alle Personen durchgezogen; z.B. die Formen für vêni
(sagen): vivun, vive, vivet, vivam, vivet, vivunt.
Verba der 4. Klasse fügen ein -n- in den Stamm ein: demànan,
demàne, demànet, demànam, demànet,
demànant.
-) Medium:
1. Pers. | krevan | 4. Pers. | krevam |
2. Pers. | kreve | 5. Pers. | krevet |
3. Pers. | krevet | 6. Pers. | krevant |
-) Imperativ Aktiv:
2. Pers. | kroi! | 5. Pers. | kroite! |
Anm. Einige Verben (vor allem die der 3. und 4. Klasse) haben -di bzw. -si als Suffix der 2. Pers.; vgl.: iardi!, sêsi!, demêsi!
-) Medium:
2. Pers. | kroiya! | 5. Pers. | kroisa! |
-) OptativAktiv:
1. Pers. | kroyen | 4. Pers. | kroyem |
2. Pers. | kroye | 5. Pers. | kroyet |
3. Pers. | kroyet | 6. Pers. | kroyent |
Anm. Der Sonderfall eyeni (sein) zeigt folgende Formen: shîn, shî, shît, shîm, shît, shent. Eigentümlich ist auch die Bildungsweise von edeni (essen): yîn, yî, yît, yîm, yît, yent.
-) Medium:
1. Pers. | kroyema | 4. Pers. | kroyenda |
2. Pers. | kroyeya | 5. Pers. | kroyebe |
3. Pers. | kroyeta | 6. Pers. | kroyenta |
Anm. eyeni und edeni bilden das Medium konsequent nach den ihnen eigenen Besonderheiten: shîma, shîya, shîta, shîmesa, shîbe, shinta etc., bzw. yîma, yîya etc.