Götter und religiöse Systeme

I. Einleitung

Die Götterwelt der Fergiatuya ist so vielfältig wie die Anzahl der verschiedenen Stämme, die das Volk der Fergiatu ausmachen. Es gibt allerdings auch viele Überschneidungen und im Laufe der Zeit kam es zu Gleichsetzungen, die Götter miteinander verschmelzen und sie mitunter bestimmte Eigenarten verlieren ließen.
Generell muß man weiterhin zwischen zwei großen Gruppen von Göttern und religiösen Systemen unterscheiden: da sind zum einen die rein fergiartischen Systeme und Götter und sodann die Götter bzw. Systeme, die bei eroberten oder unterworfenen Völkern zu Hause waren. Die Götter der "zivilisierten" Welt (also der Reiche und Völker, von denen wir schon Schriftquellen besitzen, als es die Fergiartuya noch nicht zum Schreiben gebracht hatten) sind in ihren Ursprüngen noch bekannt und häufig hat man auch aus fergiartischer Zeit Schriftquellen zu ihren Wandlungen oder ihrer kontinuierlichen Weiterentwicklung. Bei unterworfenen Völkern, die selbst erst später zur Schrift kamen, tappen wir häufig im Dunklen was die Ursprünge oder gar die Geschichte ihrer Götter und Religion als solche betrifft. Hier sind wir oftmals auf Vermutungen oder archäologische Funde angewiesen.

Als Untergruppe der fergiartischen Götter und Systeme können wir ferner die im Laufe der fergiartischen Geschichte entstandenen Kulte zählen. Auch hier kam es freilich zu Verschmelzungen, oder es entstand beim Zusammentreffen zweier Systeme etwas neues. Allerdings wollen wir hier die beiden großen neuen Kulte, den Kyârismus und den Davânismus (dualistisches System), unter der Bezeichnung "die philosophischen Systeme" ausnehmen - wobei die Bezeichnung "philosophisch" mit Vorsicht zu genießen ist, sind doch Religionen meistens auch teilweise philosophisch und umgekehrt. In den fergiartischen Schriftquellen werden diese beiden Kulte oft als die "Duya Nova", die neuen Lehren bezeichnet.

II. Die fergiartische Götterwelt

In gewisser Weise gibt es nur ein ziemlich genaues (kein sicher entscheidendes) Kriterium, das es erlaubt, Götter und religiöse Systeme in diese Kategorie einzuteilen. Und zwar ist dies die Zeit, bzw. die Länge der geschichtlichen Existenz des religiösen Systems. Und nach diesem Kriterium muß man die sieben, in Hakrivarg verehrten Götter als das grundlegende fergiartische Religionssystem annehmen. Ein Problem bei dieser Zusprechung ist die systematische Geschlossenheit dieses Systems. Schließlich besitzen wir erst seit ca. hundert Jahren vor dem Bau der sieben Tempel die ersten Schriftquellen aus dem fergiartischen Raum. Und hier handelt es sich meist um administrative Texte wie Handelsregister und Inventarlisten, nicht dagegen um beschreibende oder analysierende Texte kultureller Begebenheiten. Es könnte sich also bei dem System der sieben Tempel und Götter durchaus auch um ein über Jahrhunderte gewachsenes System der Urbevölkerung handeln, das von den Eroberern angenommen wurde. Doch die geschichtliche Geschlossenheit des Systems, die Unwissenheit über die prä-existenten Glaubenssysteme dieses Raums, sowie die Tatsache, daß die sieben Götter von Hakrivarg auch in der Zeit der fergiartischen Dominanz auf dem Kontinent eine entscheidende Rolle spielten, geben uns genügend Rechtfertigung an die Hand, um dieses System als ursprünglich fergiartisch zu kennzeichnen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang sicherlich auch, daß bereits der Tempel von Ketorimis (etwa fünfzig Jahre vorher entstanden) dem Hauptgott des hakrivargischen Pantheons, Eramma, geweiht war.
Allerdings zeigt der Umstand, daß die frühesten religiösen Funde im Westen mit einem Gott namens Ohisa in Verbindung gebracht werden können - und dieser Gott nicht zu dem System der sieben Götter gehört -, wie problematisch eine solche Zuweisung ist. Doch dazu später mehr.

Dem Bericht des Yainza Eyeni aus dem Kolnan Sonun zufolge, einem wichtigen religiösen Buch aus dem zweiten Jahrhundert, existierte am Anfang der Welt nur ein chaotischer Urzustand, der von den Gelehrten meist als das Nerel atte Tutan (das "Nichts und Alles") bezeichnet wird. Irgendwann entstand dann in einem Ausbruch von Licht der Hauptgott des fergiartischen Pantheons (bzw. der sieben Götter von Hakrivarg), Eramma. Aus diesem Grund wird Eramma in der fergiartischen Ikonographie oft in einem Strahlenkranz sitzend dargestellt. Da dieser sich schließlich einsam zu fühlen begann und um sich herum nur Leere vorfand, schuf er sich eine Gefährtin. Und so entstand die Göttin Peyêna, die aus der Hüfte Erammas entsprang. Anschließend gingen Eramma und Peyêna daran, gegen die Leere etwas zu schaffen, das Bestand haben sollte, wo vorher nichts gewesen war.

Für die Gelehrten Fergiatuyas ist die Welt, die Eramma und Peyêna hervorbrachten, ständig vom Chaos bedroht. Die Erde und der Himmel werden innerhalb der fergiartischen Ur-Religion als Grenzen gegenüber dem Chaos begriffen und die Götter und die Menschen stehen in einem ständigen Kampf gegen diese Urmacht. Irgendwann wird die Welt - und damit auch die Götter - in diesem Ringen untergehen und die Geschichte des Universums in eine neue Phase treten. Wie diese weitere Entwicklung aussehen wird, wird nach diesem Glauben auch von dem Verhalten der Götter und Menschen abhängen. Diese eschatologische Komponente findet sich auch in vielen anderen fergiartischen Systemen.
Die anderen fünf Götter dieses Pantheons sind:

Tarvîsa, der zauberkundige Erstgeborene der Peyêna, Gott der Naturkräfte.
Biollna, der Gott des Krieges.
Die zwittrige Doppelgottheit der Liebe,
Lonna/Milika.
Signi, die Göttin des Wandels und der Zeit.
Valsa, der Gott des Meeres.

Eramma und Peyêna werden zum einen einfach als Eltern der Götter und Menschen verehrt; Peyêna ist aber auch Göttin der Fruchtbarkeit, man nennt sie weiterhin auch Mêter Genun, Mutter der Frauen. Bei Eramma gibt es dagegen keinen festen Zustandsbereich. Außer seiner Schöpfer- und Vaterrolle wird er häufig von den Gläubigen um Rat, um Eingebungen gebeten (wie das auch bei Tarvîsa der Fall ist); auch um Schutz vor Gefahren - vor allem um Schutz vor dem Chaos - fleht man ihn an.

Von der Theologie her sind mehrere Komponenten wichtig für die fergiartische Religion. Die Theogonie dieses Systems bringt zwei wichtige Bestandteile mit sich: zum einen gibt es ein wichtiges moralisches Element, das nicht nur eine gottgefällige Lebensart fordert, sondern auch die Rolle des Verhaltens jedes Einzelnen vor dem Hintergrund der Bedrohung durch das Chaos betont. Ein moralisches Leben, moralisch positive Verhaltensweisen, schieben den Sieg des Chaos weiter hinaus. Zum anderen kommt eine Art wissenschaftliche Komponente hinzu, da nämlich auch das Vergrößern des Wissens der Menschheit - aber auch der Götter - den letztendlichen Sieg des Chaos für umso länger aufhalten. Moralisches Verhalten und das Bemühen um Steigerung des Wissens sind somit beides Waffen von Göttern und Menschen im Kampf gegen das Chaos.
Auf der anderen Seite steht wie in allen Religionen der Volksglaube, der mehr vom Kult, von den religiösen Handlungen her bestimmt ist. Hier spielt für die fergiartische Religion vor allem das Gebet eine wichtige Rolle, wobei die Gläubigen durch Rauchopfer, Musik und Reinigungszeremonien eine geeignete Stimmung hervorzurufen bemüht sind. Während beim regulären Gottesdienst besonders die Bitte um Führung und Beistand im Ringen mit dem Chaos im Vordergrund stehen, finden sich bei den Gebeten der Gläubigen natürlich auch Bitten um mehr praktische Vorteile wie gesunde Kinder, die eigene Gesundheit oder der Wohlstand. Das eschatologische Moment kommt aber auch hier zum Tragen: Die Götter werden hierbei auch als Helfer im Kampf gegen die ganz persönliche Bedrohung durch das Chaos und alles, was man als Sendboten oder Ausprägungen dieser Gegenmacht zur eigenen Welt versteht, angesehen. Mehrfach kam es daher in der fergiartischen Geschichte etwa zur Empörung der Gläubigen gegen die Alchemisten, die häufig als Handlanger der Städte der Finsternis angesehen wurden. Dabei spielte es weder eine Rolle, daß die Alchemie eigentlich von den Inseln der Magier her "eingeführt" wurde, noch ob es sich um fergiartische Magier (ferg. mêyala) oder zugereiste Praktikanden handelt.

Die von der fergiartischen Religion geforderten Handelns- und Verhaltensweisen sind neben den häufig in Religionen vorzufindenden Geboten wie Gottesverehrung, Hilfe für Schwächere oder die Forderung nach regulären Gebeten, vor allem die Ermahnung zur Meditation und zur Suche nach Erkenntnis. Die Meditation dient dabei zum einen der Stärkung des Willens im Ringen mit dem Chaos, zum anderen aber auch dem Gewinn an Weisheit und Wissen. Dieses Bemühen um Fortschritt äußert sich besonders im Aufbau von Bibliotheken, aber als unterstützende Maßnahme auch im Bestreben der Priester von Hakrivarg, den Menschen elementare Grundkenntnisse wie Schreiben, Lesen und Argumentieren zu vermitteln. Dies führte, wie man schnell einsehen wird, öfters zu Konflikten mit den Herrschenden.

Freilich war auch das religiöse System der sieben Götter nicht frei von religionsinternen Konflikten. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang die Duya Otinay Minay, die "Lehre vom geringeren Chaos". Diese ging von einem immanenten Widerspruch der Jenseitslehre aus. Der konservativen Sichtweise nach würde ja trotz des Bemühens der Menschen und Götter das Chaos irgendwann obsiegen. Danach aber würde eine neue Welt entstehen, die umso besser sein würde, je länger die Menschen den Sieg des Chaos hinauszögern konnten und je erfolgreicher sie in der Bemühung um eine "richtige" Lebensweise waren. War dann aber das Chaos nicht nur der Erfüllungsgehilfe der Menschen und Götter? War der "Sieg" des Chaos dann nicht nur noch seine "Niederlage"?
Andere fragten sogar noch weiter: Brauchte man das Chaos überhaupt zu irgendetwas? Würde die Welt nicht sowieso "besser" als zuvor, wenn die Menschen sich erfolgreich um eine bessere Welt bemühten? Und umgekehrt wurde die Welt ja sowieso "schlechter", wenn die Menschen von der moralischen Lebensweise abließen. Das rührte natürlich an den Existenzgrundlagen der Priester!

Während die Priesterrolle in der Zeit der fergiartischen Wanderung und allmählichen Seßhaftwerdung häufig von den Ältesten einer Familie, eines Stammes übernommen wurde, bildete sich seit der Gründung der sieben Tempel in Hakrivarg eine eigene Priesterkaste heraus. Diese betrieb eigens Schulen für den priesterlichen Nachwuchs, die prinzipiell jedem offenstanden, der die Berufung dazu fühlte. Da den fergiartischen Priestern nicht untersagt wurde, Familien zu gründen, bestand aber auch hier ein ständiges Reservoir an priesterlichem Nachwuchs. Ebensowenig waren Kinder von Priestern aber dazu verdammt, Priester zu werden und so wurde Hakrivarg zu einer Stadt, die zu einem großen Teil von klerikalen Familien bewohnt wurde. Aber es zogen auch viele Menschen nach Hakrivarg, die zwar keineswegs beabsichtigten, die priesterliche Laufbahn einzuschlagen, aber aus spirituellen Bedürfnissen heraus die Nähe der Priester und der Tempel suchten. So wurde Hakrivarg allmählich auch jenseits der Prätentionen der Priesterschaft zur heiligen Stadt Fergiartuyas.
Mit der Zeit gründeten die sieben Tempel auch Ableger in anderen Städten, die sie dann mit den herangezogenen Priestern bestückten. Aber die Priester, die durch die hakrivargische Schule gegangen waren, waren auch in von den sieben großen Tempeln unabhängigen heiligen Stätten begehrt. Oder sie gründeten selber Tempel oder übernahmen vakante Stellen.
Die sieben Tempel wurden jeweils von einer Art Kollegium "regiert". Dabei gab es keinen Vorsitzenden im eigentlichen Sinne, sondern meist übernahm der älteste Priester die Moderation solcher Sitzungen. Mit der Gründung der Tempelableger nahm die Bedeutung der Kollegien von Hakrivarg immer mehr zu. Allerdings waren sie eher für kirchenrechtliche als für wirtschaftliche Fragen verantwortlich, da die meisten Tempel sich bemühten autark zu werden. Weiterhin entsendete jedes dieser Kollegien seinen Vorsitzenden auch in den sogenannten Heiligen Rat, der als Stimme der Priesterschaft der sieben Tempel nach außen hin auftrat - bereits in den Verhandlungen mit Meyapotina nach der Eroberung der Heiligen Stadt traten die sieben Tempel ja schon geschlossen auf. Die damals erklärte Neutralität der Stadt durch die sieben Tempel wurde von Meyapotina und seinen Nachfolgern in der Regel auch weiterhin akzeptiert.

Neben der in den Tempeln organisierten Priesterschaft mit ihren Familien gab es auch Fergiartuya, die sich in Ordensgemeinschaften organisierten. Sie gründeten Klöster in abgelegenen Gebieten und widmeten sich der gemeinsamen Komtemplation und dem Gebet. Diese Orden wandten sich von der Welt ab und sahen ihre Rolle darin, für ihre Mitmenschen Erkenntnisse in Bezug auf die eschatologische Komponente ihres Glaubens zu gewinnen. Naturgemäß spielt hier das Asketentum (hanzatra = "der Asket") hier eine wichtige Rolle. In mehr oder minder regelmäßigen Abständen gingen sie dann wieder in die Welt hinaus und verkündeten ihre Wahrheiten den Menschen auf den Marktplätzen oder vor den Tempeln. Natürlich sah die Priesterschaft der sieben Tempel diese Orden durchaus mißtrauisch, widersprachen ihre Glaubenssätze doch mitunter der konservativen Sichtweise. Trotzdem gelang es den Orden mit der Zeit, sich gegenüber der Priesterschaft zu behaupten.

III. Weitere fergiartische Systeme

OHISA

Eine der nachweisbar ältesten religiösen Kulte der Fergiartuya ist der um den Schlangengott Ohisa. Dieser Kult war jedoch nie weit verbreitet und hat sein Zentrum zu Füßen der Gebirgskette, die sich vom Egarsa zu den Inseln der Magier zieht, dem Ahipassni. Ironischerweise bedeutet dieser Name "Drachenrücken". Bei der Stadt Remayêka fand man dann auch in einem Fürstengrab aus dem fünften Jahrhundert vor Meyapotina die Votivfigur eines Mannes, der eine Schlange und ein Messer in seinen Händen hält.
Bei dem Schlangengott Ohisa haben wir es mit einem der wenigen Hauptgötter zu tun, vor dem sich die Gläubigen eher fürchten, als daß sie ihn verehren. Nach dem Glauben dieses Kultes handelt es sich bei Ohisa um eine riesige, schlafende Schlange. Wenn diese Schlange aber einstens erwacht, wird sie die Sonne verschlingen und die Welt der Menschen damit vernichten. Die Aufgabe der Gläubigen ist es daher, das Erwachen der riesigen Schlange zu verhindern oder doch zumindest zu verzögern.
Die irdischen Schlangen nehmen in dem Glauben der Schlangenkultler eine ziemlich zwiespältige Rolle ein. Auf der einen Seite wurden sie als die Kinder Ohisas angesehen; in dieser Rolle sind sie einmal Boten und Agenten des Gottes, die in seinem Willen agieren (obwohl er schläft, kann sein Geist doch mit den Schlangen kommunizieren) und auf sein Erwachen hinarbeiten. Deshalb wurden bei einem der wichtigsten Feste des Schlangenkultes Schlangen rituell getötet und enthäutet. Aber da sie als Boten des Gottes agieren, dienen sie den Gläubigen auch dazu, den Schlaf des Gottes zu verlängern. Deshalb wurden bei dem zweiten großen Fest des Kultes auch Schlangenbeschwörungen und rituelle Tänze durchgeführt, die den Geist Ohisas einlullen sollten.
Auf der anderen Seite sind die Schlangen aber auch nützliche Wesen, da die Menschen -- indem sie sich ihrer bedienen -- an den Kräften des Gottes teilhaben können. Daher nutzte man etwa ihr Gift oder ihre Haut zu fruchtbarkeitsfördernden Ritualen. Eine Schlange im Haus zu haben galt deshalb für viele Gläubige als großes Glück und viele hielten sich tatsächlich eine Hausschlange, um dieses Glück zu kultivieren.
Eine Sekte von Assassinen, die in eher loser Verbindung zum Hauptkult stand, bediente sich der Schlangen auch zur Herstellung verschiedener Gifte, die sie bei ihren Morden verwandten. Diese als Nathriya (Plural von Nathri) bezeichnete Sekte war vor allem im Mittelreich (Meyamarga) zu finden.

DIE NORDÖSTLICHEN GÖTTER

Östlich des Gebietes der Senimarga, dem Siedlungsgebiet desjenigen Stammes, der den Fergiartuya seit dem zweiten Jahrhundert n.M. seinen Namen gab, glaubte man an ein Pantheon von verschiedenen Gottheiten mit einem jeweils geregelten "Zuständigkeitsgebiet". Wahrscheinlich ging dieses System von einem Naturglauben (Animismus) mit starken schamanistischen Anklängen aus. Hier glaubte man an Götter wie Ekona (Göttin der Pferde), Dinna (Göttin des Morgenlichts) oder
Belana (Gott der Jünglinge). Wie in anderen Religionen, die von Naturgottheiten ausging, entwickelte sich auch hier die Vorstellung einer Götterfamilie. Als Göttervater wurde im Osten Trînya, der Gott des Donners angesehen, der mit seiner Gattin Velapara vier weitere Götter zeugte: den schon erwähnten Belana, der auch als Gott der Jugend verehrt wurde, den Meeresherrscher Blûsa (diese Form des Namens ist übrigens mit dem des Meeresgottes Valsa aus dem Göttersystem von Hakrivarg verwandt), sodann Sêgya, die Göttin der Schönheit und Fîrya, den Gott des Krieges. Mit seiner Tochter Sêgya schuf Trînya im Inzest den Gott des Todes und der Unterwelt, Vûga. Neben diesen sechs Hauptgöttern glaubte man im Osten an weitere Götter, deren Herkunft meist durch Liebschaften der Götter untereinander oder mit Menschen erklärt wurde. So etwa den klumpfüßigen Gott der Dichtung und der Weisheit, Lapus, den Trînya mit einer menschlichen Schönheit im Ahipassni gezeugt haben soll, worauf der Sohn von der eifersüchtigen Gattin mit dem Klumpfuß versehen wurde. Andere Götter wie Dinna existierten neben dem Pantheon, während zum Beispiel die Göttin Ekona aus dem Beischlaf des Göttervaters mit einer Stute (!) hervorgegangen sein soll.
Im Unterschied zum im Reich vorherrschenden System von Hakrivarg, war die Religion im Osten längst nicht so durchorganisiert. Es gab zwar eine eigene Priesterschaft, doch war diese an die einzelnen Tempel gebunden und jedemTempel standen höchstens drei Priester vor. Die Nachfolge war häufig familiär geregelt, so daß Tempel auch schon mal zugrunde gingen oder die Gebetsstätten verlegt wurden, wenn niemand zur Nachfolge anstand. Auf der anderen Seite war die Rolle des Kultus in dieser Gegend persönlicher, d.h.man opferte entweder persönlich vor dem Hausaltar oder an heiligen Stätten wie Quellen etc., oder man bezahlte den Priester dafür, daß er für einen ein Opfer darbrachte, sei es ein Tier oder ähnliches. Der Glaube war hier weniger abstrakt und kam ohne eschatologisches Moment aus. Adlige Familien des Ostens pflegten oftmals auch den Kontakt zu beiden religiösen Systemen, dem von Hakrivarg ebenso wie zu der örtlichen Religion. Und obwohl der Parsha seinen Regierungssitz im Osten hatte, kam es zu wenigen Konflikten der beiden Religionen untereinander. Häufig herrschte auf dem Land der örtliche Glaube während in den Städten das Siebenersystem bevorzugt wurde. Da die Tempel der östlichen Religion auch keine "institutive" Bedrohung wie etwa der Kyârismus darstellten, kamen beide Systeme relativ gut miteinander aus, auch wenn es regelmäßig zu Bekehrungsversuchen auf dem Land kam.

GÖTTER DER MARIMARGA
Der fergiartische Stamm, der sich an der Straße von Ghormas niederließ, besaß zunächst ein Göttersystem, das denen der östlichen Götter ähnelte. Der Obergott dieses Pantheons war
Yûna, wie Trînya ein Gott der Naturgewalten. Ihm liiert war die Göttin Alena, die für die Fruchtbarkeit und die Ernte zuständig war. Im Unterschied zu den Göttern der eigentlichen Fergiartu waren die "familiären" Beziehungen der Götter untereinander in diesem Pantheon längst nicht so ausgeprägt. Yûna und Alena hatten einen Sohn namens Biolli (manchmal auch Biolni genannt), ein Gott des Krieges wie Biollna im Siebenersystem. In manchen Gegenden der Marimarga (und später auch des Mittelreiches, Meyamarga) wurde Biolli dagegen als Bruder der Liebes- und Schönheitsgöttin Kavîna verehrt.
Im Zuge der Ausdehnung des Herrschaftsgebiets und der damit verbundenen Vermischung mit indigenen Stämmen kamen die fergiartischen Eroberer in Kontakt mit einem
Feuerkult. Diese Hurka genannte Religion (als Grundform wird in der Forschung meist ein Wort "xurka" [xurka:] angenommen, das von den Fergiartuya wohl mit der Wurzel [her-] für "brennen" in Verbindung gebracht wurde) ging von einem elementaren Konflikt zwischen Licht und Finsternis aus, wobei das Feuer die Macht des Lichts und die Nacht diejenige der Finsternis verkörperte. Das Feuer reinigte hierbei die Menschen und hielt mit seiner Macht die Finsternis fern. Auf kultischer Ebene spielten in dieser Religion vor allem die Prayête Blagni, die Feuertänzer, eine wichtige Rolle. Hierbei handelte es sich um Kultgemeinschaften, die den religiösen Akt des Feuertanzes stellvertretend für die anderen Gläubigen vollzogen. Der Tanz um das Feuer und der Sprung durch die Flammen galt als reinigend. Durch die Berührung der Tänzer nach dem Prauya Blagni wurde die reinigende Kraft des Feuers an die Gläubigen weitergegeben. Zu den Prayête zu gehören war nicht nur eine große Ehre, sondern brachte auch viele materielle Vorzüge mit sich, da die Kultgemeinschaften sich für ihre Mitglieder bei der Berufswahl oder der Wohnungssuche einsetzten. Der Adel und die reichen Kaufleute versahen die Prayête darüber hinaus mit großen Schenkungen, von denen die Mitglieder und ihre Familien profitierten. Dieses System war bereits vor der Vereinigung der Marimarga mit dem fergiartischen Reich voll ausgeprägt, so daß die Gemeinschaften der Feuertänzer auch gegenüber der Reichsreligion bestehen konnte. Und das, obwohl auch die Hurka-Anhänger in den Konflikt um den Davânismus mit hineingezogen wurden. Die davânistischen Religionskriege konnten die Hurka-Anhänger relativ unbeschadet überstehen, weil sich der Loinna und die Adligen der Marimarga für sie einsetzten.
Durch den Kontakt mit der indigenen Religion wurde der fergiartische Gott Yûna zu einer Art Schutzherr des Feuers, zumal seine Attribute der Naturmacht des Feuers vergleichbar waren. Das Geschwisterpaar Biolli/Kavîna konnte ebenfalls neben der Hurka bestehen, fand seine Anhänger jedoch eher auf dem Land, zum Teil aber auch bei den fergiartischen Adligen.