1.) Senimarga/Sanettiris
Der erste "fergiartische" Staat beruht - wie später
auch in Satisanzia - noch stark auf dem Stammesprinzip. Der "König"
(der eigentliche Titel von Lâris lautet Lunna [=
loinna], der Anführer des Volkes) wird vom Rat der Familienoberhäupter
gewählt. Seine Macht fußt anfangs vor allem auf seiner
Rolle als oberster Heerführer und entscheidende Instanz in
Krisenzeiten. Erst mit der Seßhaftigkeit und der damit verbundenen
Zunahme "administrativer" Tätigkeiten gelingt den
Herrschern eine Ausweitung ihrer Macht. Hier ist es besonders
König Uspûdi (295 - 265 v.M.), der mit dem Aufbau der
Kanzlei die Herrschaftsausübung des Königs
formalisiert. Der Rat der Ältesten (Henêta) wird mit der Zeit immer mehr zu einem
Beratungsgremium; die Familienoberhäupter haben aber nach
wie vor im Bereich der einzelnen Siedlungen beträchtliche
Befugnisse.
Ähnliche Muster der Herrschaftsaufteilung dürfte es
bei allen fergiartischen Stämmen gegeben haben. Auch wenn
es in der Anfangszeit nur ein eigentliches Reich gegeben hat,
so ist doch ab einer bestimmten Anzahl von Bewohnern eines Siedlungsgebietes
die Aufteilung der herrscherlichen Gewalt zwischen einem Anführer
und einem beigeordneten Gremium (oder einer untergeordneten Gruppe
von "kleineren" Herrschern) für die menschliche
Geschichte im allgemeinen ein gewöhnliches Faktum. Bei der
Ausgestaltung im Detail kommen traditionelle Faktoren hinzu, die
den einzelnen Systemen ihre Besonderheit verleihen. Auch das Reich
Meyapotinas geht auf ähnliche Grundlagen zurück, wie
das Königtum der Senimarga.
2.) Satisanzia
Meyapotina
war der Sohn eines Stammesfürsten im Südosten der Senimarga
nahe von Remayêka. Sein Stamm gehörte allerdings nicht
zum Königreich, sondern siedelte an der Grenze im Gebirge
und den Tälern an seinen Ausläufern. Wegen der aufgelockerten
Siedlungsweise waren die Familienoberhäupter hier unabhängiger
und mußten erst zu einem Verbund zusammengeschmiedet werden.
Als Anlaß hierzu nahm Meyapotina die Ausdehnung des Siedlungsgebietes
in Richtung Katraknêta. Er organisierte die wehrfähigen
Männer in Abteilungen unter Anführung der Oberhäupter
der Familien und brach im Frühjahr 8 v.M. auf, um den Bürgerkrieg
in der Senimarga für die Ausdehnung des eigenen Siedlungsgebietes
zu nutzen. Obwohl seine Krieger nur wenige Streitwagen besaßen,
hatten sie durch kluge taktische Führung und blitzschnelle,
mit leichter Reiterei vorgetragene Angriffe einen Vorteil gegenüber
den zerstrittenen Städten und Stämmen.
Mit der zunehmenden Ausdehnung seines Herrschaftsgebietes mußte
Meyapotina die ursprünglichen Gliederung des Stammes modifizieren.
Mit der taktischen Vergrößerung und Aufwertung der
militärischen Verbände nahm auch das politische Gewicht
ihrer Anführer zu. Meyapotina verlieh ihnen den Titel Saranna (Anführer des Heeres, sarêta)
und ließ sie an der Planung weiterer Heerzüge teilnehmen.
Mit der Eroberung der heiligen Stadt Hakrivarg und der Heirat der
Nichte des letzten Königs der Senimarga verschaffte sich
Meyapotina Anrecht auf den Titel Lunna, den diese Könige
getragen hatten. Doch ohne die Zustimmung oder zumindest die Duldung
dieses Titels durch die im Zuge des Verlustes der Reichseinheit
zu Macht gekommenen Stammesführer war die Krönung in
Viargaka relativ wertlos. Meyapotina scheint dies ziemlich früh
erkannt zu haben, denn schon kurz nach seinem Sieg über ein
Heer der Allianz der Südfürsten bei Salbar rief er die
Fürsten dieser Stämme zu einer Verhandlung in die Stadt
der sieben Tempel ein. In dem im siebten Jahr seiner Herrschaft
geschlossenen Vertrag von Hakrivarg zeigt sich deutlich das politische
Gespür des Königs (der übrigens weiterhin den Titel
Lunna getragen hatte). Er bietet den Stammesfürsten
ein Mitspracherecht bei der Regierung und einen Sitz im neu zu
gründenden Reichsrat (Mentêta) an. Indem er ihnen
den Titel Loinna verleiht (um die klassische Variante des
Titels zu benutzen), behandelt er sie zudem als Gleichgestellte.
Aber er vergißt auch seine treuen Mitstreiter nicht, die
er ebenfalls in den Reichsrat integriert. Ihr Titel wird zudem
genauso erblich wie der eines Fürsten. Doch die Vormachtstellung
Meyapotinas mußte ebenfalls titular betont werden und so
heißen die Könige von Satisanzia von nun an Parsha von Satisanzia und Loinna der
Satisante (Parsha Satisanzasha atte Loinna Satisantenun).
Neben dem Reichsrat spielte auch die Kanzlei weiterhin eine wichtige Rolle.
Als Anführer der Fürsten oder Loinna konnte der Parsha
bei Streitigkeiten schlichten. Dieses Instrument nutzte er in
Verbund mit der Kanzlei, um Gesetze zu schaffen, die das Miteinander
der Stämme verbindlich regelten. Im Buch "Vête
Parshasha" (die Sprüche des Königs) ließ
Meyapotina noch ein Jahr vor seinem Tod eine erste Sammlung dieser
Spruchgesetze kodifizieren. Darin sind solche Dinge behandelt
wie die Zahlung von Entschädigungen zwischen den Stämmen
(etwa wenn ein Mitglied eines Stammes Vieh eines anderen Stammes
widerrechtlich oder versehentlich schlachtete), die Berechtigung
für die Zollerhebung an Brücken, die vom Territorium
eines Stammes in das eines anderen führen, oder aber auch
so brisante Dinge wie die Beilegung von Erbstreitigkeiten in Fürstenhäusern.
Eine vergleichbare Bedeutung hat sonst nur die Verzeichnung religiöser
Gesetze im etwa sechzig Jahre später erschienenen Kolnan
Hettan Kontun (Buch der sieben Tempel).
Die Stammesfürsten und Heerführer wurden weiterhin bei
der Administration der Reichsteile einbezogen. Hier blieb zunächst
die Trennung in politische und militärische Aufgaben gewahrt;
somit wurden die Loinna zu Provinzfürsten, während die
Heerführer in allen militärischen Dingen wie Aushebung
und Unterhalt der Truppen die Entscheidungsgewalt innehatten.