Die ealdische Gesellschaft

 

1.) Handel und Wirtschaft

Der Volksstamm der Darier lebte ursprünglich -- wie auch die meisten der sogenannten Altvölker -- von Jagd und Viehzucht. Sie waren aber -- etwa im Gegensatz zu den Teriern -- keine Nomaden, sondern kannten fest abgegrenzte Gebiete, welche einer bestimmten Großsippe gehörten.

Während der Wanderung nach Süden wurden dann nach und nach die Jäger und Krieger wichtiger. Nach der Ansiedlung zwischen Binnenmeer und Darus bzw. den Grauen Hügeln entstand auch erstmalig größer betriebener Ackerbau -- wahrscheinlich unter dem Einfluß der Rygier. Aber auch Viehzucht (und hier besonders Rinder- und Schafzucht) blieb für das Fortbestehen der Stammes- bzw. Großsippengemeinschaft von großer Bedeutung. Diese eher bäuerliche Lebensweise blieb auch für lange Zeit sowohl im König- wie im Kaiserreich bestimmend.

Die häufige Kriegstätigkeit zwischen der ersten Ansiedlung und dem Ende des Königreiches verhinderte allerdings die Entstehung einer geregelten Wirtschaft; Handel geschah mehr im Sinne von Tauschgeschäften mit den höher entwickelten Nachbarn Rygien, Vurien und Gurum. Gebrauchsgegenstände wurden von den Sippenmitgliedern meist selbst hergestellt und wertvollerer Schmuck war vorwiegend den Königen und den (adligen) Oberhäuptern der bedeutenden Sippen bekannt.

Erst nach der Eroberung Gurums begann im zweiten Jahrhundert nach der Reichsgründung die Entstehung einer ealdischen Wirtschaft, wobei es sich jedoch um eine Übernahme gurischer Wirtschaftsstrukturen handelte.

In Gurum sowie den Zwanzig Provinzreichen bestanden etwa ab dem ersten jahrhundert gurischer Siedlung oberhalb des östlichen Binnenmeeres (ca. 50 - 150 v.GR.) folgende Wirtschaftsgebiete:

- das Binnenmeer mit Fischfang und Salzgewinnung,
- Eisenerz- und Marmorgewinnung nördlich des Gyran,
- Lederwaren- und Stoffherstellung rund um Erdum und
- die Weinanbaugebiete bei Teradias.

Mit der Ausweitung des Kaiserreiches nach Nyral (Freundschaftsvertrag, um 280 n.GR.) und zum Westlichen Meer wurde besonders der Fernhandel wichtig für Wirtschaft und Gewerbe. Die Nyraler waren über die Laner spätestens ab dem vierten Jahrhundert mit dem westlichen Kontinent in Kontakt. Von dort kamen (zum Teil auch über Frugien) Bernstein, Stoffe, Edelsteine, Pergament, Holz und Baumwolle ins Land und wurden entweder gegen Keramik (aus Nyral) oder Eisen getauscht, oder aber mit Gold bezahlt. Nach der Eroberung Myrddiens kamen von den Freien Inseln besonders Glaswaren und Wein, aus Myrddien selbst Bernstein, Felle, Eisen und Kupfer ins Reich.

Ab 410 entstand dann auch reger Handel mit Kyrien, der nur zwischen 490, 504 und 660/1 unterbrochen wurde (zweiter Kyrischer Krieg bzw. Schlacht von Weradum). Kyrien selbst führte vor allem Holz, Getreide, Gold und Flachs aus und bezog dafür besonders Salzfisch, Keramik und Marmor. Die Vasallenkönigreiche und das Galdische Fürstentum schließlich handelten mit Getreide, Holz und Vieh.

Der Getreideanbau läßt sich (seit Beginn des Ealdischen Königreiches) in drei Phasen gliedern: In der Zeit des Königreiches wurde die Getreideversorgung noch von den Kernlanden sowie von Gurum besorgt. Mit der Ausdehung des Kaiserreiches nach Süden verlagerten sich auch die Zentren des Getreideanbaus dorthin, so daß sich die Vasallenkönigreiche und das Gebiet der Provinzen Milum und Sora zu den Hauptlieferanten des Reiches für Getreide entwickelten.

Nach der Reichsteilung ab 714 schließlich versorgte sich das Westreich besonders aus Nyral, während das Ostreich noch längere Zeit auf die oben genannten Gebiete zurückgreifen konnte.


Das Handwerk entwickelte sich ab 280 unter dem Einfluß Nyrals. Vorher gab es wie bereits erwähnt höchstens handwerkliche Tätigkeiten aufgrund von Eigeninitiative sowie bei der Armee. Dort waren besonders Schmiede und Schreiner wichtig.

Mit dem Erreichen des Darus entwickelte sich eine eigene Bootsherstellung, die besonders von Nyraiah positiv beeinflußt wurde. Ab dem vierten Jahrhundert entstand auch eine zuerst bescheidene Flußschifffahrt. Maros an Palan (412 - 461) berichtet von folgenden handwerklichen Berufen: Schmiede, Schreiner, Schiffsbauer, Töpfer, Schuster, Mauerer, Gerber, Kürschner und Bildhauer. Diese Handwerker schlossen sich um einer Ausbeutung vorzubeugen in Zünften (collegias) zusammen.

Aufgrund der Eroberungen Ealds als König- und Kaiserreich wurden natürlich auch Menschen versklavt. Besonders die Blugo und die Vurier hatten darunter zu leiden, aber auch Gurer, Rygier, Myrddier, Kyrer und Terier wurden versklavt. Anfangs waren dies hauptsächlich Kriegsgefangene, später verkauften sich begrenzt auch Schuldner in die Sklaverei. Diese Art der Sklaverei war jedoch zeitlich begrenzt und dauerte je nach Höhe der Schulden und des Kaufpreises verschieden lange. Die längste überlieferte Dauer einer solchen Schuldsklaverei berichtet der Kaufmann Raton Dalagan in einem erhaltenen Brief an seinen Freund, einen Kaiserlichen Rat des Westreiches: ein anderer Kaufmann, der sich bei Getreidespekulationen hoch verschuldet hatte, verkaufte sich ob seines Alters relativ schlecht und verbrachte neun Jahre im Besitz eines Großgrundbesitzers.

Der steigende Anspruch nach billigen Arbeitskräften zu Zeiten der Lyndischen Dynastie führte zur Gründung regelrechter Sklavenfarmen,wo Generationen von Sklaven herangezogen wurden. Gleichzeitig mit der Legitimierung solcher Art von Sklaverei wurden Sklaven aber auch rechtlich beschützt. Sie durften von ihrem Besitzer nicht mehr getötet werden (was vorher noch möglich war, wenn es auch relativ selten vorkam; schließlich waren gute Sklaven ein kostbares Gut) und bekamen auch ein begrenztes Widerspruchsrecht gegen lebensgefährdende Aufgaben. Dies betraf allerdings nicht die Galeeren- und Bergwerkssklaven.

Erst die Überfälle der Terischen Nomaden sorgten wieder für einen Zuwachs an Kaufsklaven (im Gegensatz zu Schuld- oder "Zuchtsklaven"., der jedoch nur einige Jahre dauerte. Es gab in der ealdischen Geschichte viele solcher Periodenwechsel im Verhältnis von Kaufsklaven und anderen. Oft waren es gerade die einfallenden Völker, deren gefangene zu "Zuchtsklaven" wurden.

Im allgemeinen können folgende "Berufe" von Sklaven unterschieden werden: Lehrer (vorallem Gurer), Schreiber (nicht in der Legion), Haus-, Bergwerks- und Galeerensklaven und in gewissem Ausmaß auch Lastsklaven (also alle, die Handelswaren trugen oder Marmorblöcke zogen.

Freigelassene Sklaven arbeiteten oft in den Familien als Lehrer, Sekretäre oder Vertraute weiter und wurden hier sogar als Familienangehörige betrachtet. Andere wiederum suchten sich Stellungen in den Städten (z.B. als Schreiber oder Künstler).

2.) Die Gesellschaft des Kaiserreiches

Die ealdische Gesellschaft des Kaiserreiches war eine Mischung aus darischer Gesellschaft des Königreiches gemischt mit gurischen und nyralischen Einflüssen.

Bei den Dariern standen die Oberhäupter der bedeutenden Sippen (gentes) an erster Stelle der gesellschaftlichen Hierarchie. Sie waren im Krieg die militärischen Führer, die unter sich den Schlachthäuptling (princeps) als obersten Befehlshaber wählten. Die wehrfähigen Männer und Jugendlichen wurden in Dekanen (abgeleitet aus den ursprünglich zehn Großsippen der Darier) unterteilt, die im Kampf die ealdische Grundeinheit darstellten. Diese Dekanen (nicht zu verwechseln mit den Zehnerschaften der späteren Legion) waren in fünf Hundertschaften unterteilt, die jeweils unter dem Befehl eines Sippenoberhaupts standen.

Im Königreich waren diese Dekanen auch die Grundlage der Besteuerung. Je mehr wehrfähige Männer eine Sippe in die Dekane einbringen konnte, desto weniger Steuern zahlte sie. Der Grundgedanke war dabei, daß eine Sippe mit weniger wehrfähigen Mitgliedern sich in Kriegszeiten eher einen Lebensunterhalt erwirtschaften konnte als eine Sippe mit vielen wehrfähigen Jugendlichen und Männern. Auf diese Weise sollte ein Ausgleich zwischen den Sippen bewirkt werden.

Zur Zeit des Königreiches hatte sich aus den bedeutenden Geschlechtern schon ein Adel gebildet, der dem König im Reichsrat als gesetzgebende Versammlung zur Seite trat. Diese führenden Geschlechter beanspruchten aufgrund ihrer Größe und ihrer "geschichtlichen" Ehrwürdigkeit einen erheblichen Teil des neuen Staatsgebiets als Grundbesitz. Sokam es, daß die Kernlande des ealdischen Reiches (das sogenannte Ealda Maior beinhaltete das Gebiet zwischen dem Binnenmeer und dem Darus, dem Seos und den Druna-Hügeln) zum großen Teil unter den damals 120 führenden Geschlechtern (gentes principi) aufgeteilt wurde. Die jeweilige Größe eines solchen Grundbesitzes bestimmte natürlicherweise auch den Reichtum des Besitzers.

Als Gurum und später Nyral ins Kaiserreich kamen, fand eine Vermischung von darischer, gurischer und nyralischer Führungsschicht statt und somit wurde auch die Zahl der Mitglieder im Reichsrat auf 300 erhöht. Wer es sich leisten konnte, zog in die Stadt Eald undließ seinen Grundbesitz teilweise in Gold umwandeln oder von einem Verwalter weiter bewirtschaften.

Die reichen gurischen und nyralischen Kaufleute konnten zwar nicht in den Reichsrat aufgenommen werden, bildeten aber aufgrund ihres Reichtums einen Machtfaktor im Reich -- teils durch Verträge mit der Legion, teils durch Unterstützung der Reichsratsmitglieder und in geringerem Maße auch durch Aufstieg in den Rang eines Kaiserlichen Rates. Denn je größer das Reichsgebiet wurde, desto unbedeutender konnte der Reichtum bzw. der aus dem Grundbesitz eines Reichsratsmitglieds erwirtschaftete Wohlstand im Vergleich zu den Kaufleuten werden. So gab es manche Kaufleute, deren Haus in Eald oder dem umliegenden Gebiet größer und prachtvoller war als das eines Sippenoberhaupts.

Freilich gab es auch Großgrundbesitzer, die zwar nicht zu den führenden Geschlechtern gezählt wurden, aber dennoch aufgrund ihrer Bedeutung für die Nahrungsversorgung zu Reichtum und Anerkennung gelangten. Da diese aber meist kein Interesse hatten, nach Eald zu ziehen, blieben sie in den Städten der Provinzen und konnten dort als Mitglieder eines Stadtrates oder als Kaiserlicher Rat in der gesellschaftlichen Hierarchie aufsteigen.

Ähnlich hoch angesehen wie die Mitglieder des Reichsrats waren die Kaiserlichen Räte. Sie kamen meist aus der Legion oder über die Beamtenlaufbahn aus dem Magistrat. Als ehemalige Offiziere der Legion wurden sie vom Kaiser entweder ernannt, weil sie unter ihm gedient hatten (wie etwa der Heerführer des Nordens Rutus an Daruga von Fyramon dem Großen) oder weil sie sich aufgrund ihrer Stellung im Heer empfahlen (z.B. ausscheidende Heerführer oder Legionoi). Die Räte, die aus dem Magistrat (und später auch aus den Stadträten) kamen, konnten als Höhepunkt der Beamtenlaufbahn vom Reichsrat dem Kaiser empfohlen werden. Dazu mußten sie entweder mindestens fünfundzwanzig Jahre lang Beamte gewesen sein oder eine führende Stellung in einem der vier Gremien innegehabt haben. Ab dem fünften Jahrhundert konnten auch hochgestellte Stadträte oder Richter zu Kaiserlichen Räten ernannt werden ("de qualitate officii", wie es in den Bestallungsurkunden hieß -- "wegen des wertvollen Dienstes").

Beamte, also Magistratsbeamte, Richter und Kaiserliche Räte) bekamen anfangs keine Bezahlung; sie mußten ihren Lebensunterhalt also aufgrund privater Geldmittel bestreiten (z.B. aus Grundbesitz, wenn sie einer der führenden Geschlechter entstammten). Allerdings konnten die Beamten sich in einem eng gesteckten Rahmen für bestimmte Leistungen bezahlen lassen -- als Anwälte in einem Rechtsprozeß etwa. Die für die Erhebung der Steuern zuständigen Quaestoren erhielten zum Beispiel einen geringen Prozentsatz aus den eingetriebenen Geldern zur Vergütung. Reich werden konnte man als Beamter anfangs allerdings nicht. Ab dem Zeitalter der Getrennten Verfassungen (720 n.GR.) wurde ihnen (in beiden Reichen) ein jährlicher Zuschuß aus der Staatskasse gezahlt. Reichere Städte allerdings zahlten ihren Stadträten manchmal einen Zuschuß oder besoldeten sie sogar.
So ist es auch nicht verwunderlich, daß reiche Kaufleute oder Großgrundbesitzer ab dem siebten Jahrhundert über die Bestechung von Beamten eine nicht zu unterschätzende Rolle spielten.

Unter all diesem litt natürlich in zunehmendem Maße die einfache Bevölkerung. Zu Anfang des Kaiserreiches hatten die kleineren Bauern und Viehzüchter noch wenig Probleme, ihren Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Mit der Vergrößerung des Kaiserreiches nach Gurum und Nyral, mit dem zunehmenden Bedarf an Grundnahrungsmitteln, hätte dieses zwar harte aber ertragbringende Leben fortgesetzt werden können. Doch der wachsende Einfluß der Großgrundbesitzer änderte alles. Immer mehr wurde der Bedarf an Grundnahrungsmitteln aus eben den Teilen des Kaiserreiches gedeckt, wo die Großgrundbesitzer ansässig waren, so daß die Kleinbauern immer mehr verarmten.

Für die Söhne dieser Bauern und Viehzüchter gabe es nur drei Auswege:
1.) sie versuchten in den Städten ihr Glück zu machen (z.B. indem sie sich mit ihrem Erbe in eine Handwerkszunft einkauften);
2.) sie verkauften sich mit ihrem Land als Pächter (coloni) an Großgrundbesitzer;
3.) oder sie gingen zur Legion.
In jedem Fall war die Chance eines gesellschaftlichen Aufstiegs eher gering. So man entweder in den collegiae (was aufgrund der Zunftbestimmungen meist recht schwierig oder kostspielig war) oder der Legion unterkam, war der Lebensunterhalt gesichert. Besonders im vierten Jahrhundert stieg der Bedarf an Handwerkern beträchtlich. Die Kaiser -- und hier besonders
Saros III., Saros IV., Lyndon I. und Apatus der Große -- ließen die Provinzen durch Gründung von Garnisionsstädten (z.B. Ratiudum, Cardum oder Dum-Sara) in ihrer Bedeutung ausbauen.

Mit der zunehmenden Krise des Staats ab dem siebten Jahrhundert (Zweiter Überfall der Terischen Nomaden, Jahre der Vielkaiserherrschaft, Einzug der Dekadenz unter Ragoras V., und zunehmende Aushöhlung der Staatsgewalt ab der Zeit Fyramon des Großen) nahm auch das Gefälle zwischen reichem Großgrundbesitz und verarmten Kleinbauern bzw. Pächtern immer mehr zu. Daß letztendlich vor allem der Beginn der Völkerwanderung und die Zentralisierung des Reiches für den Untergang des Kaiserreiches verantwortlich waren, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Widerstandskraft des Reiches auch durch das Gefälle von Arm und Reich stark unterhöhlt wurden. Man darf vermuten, daß das Kaiserreich an diesem Gefälle auch ohne den Einfall der Aranen und Vosalen zerbrochen wäre.

Abschließend noch ein Wort zur Einordnung der Provinzen in das ealdische Reich: Als das Kaiserreich entstand, gab man den folgenden Gebieten den Rang einer Vollprovinz, d.h. einer Provinz, deren Bewohner zu Staatsbürgern ernannt wurden: Ealda Maior, Gurum (d.i. die Provinzen Erdum und Xardum), Pardum und Nyradum (Nyral). Die Bewohner dieser Vollprovinzen durften sich ealdische Staatsbürger nennen, deren herausragendes Recht die Wahl der 150 Volksvertreter (bis 280 n.GR. betrug ihre Zahl nur 75) im Reichsrat war. Jede dieser Provinzen stellte eine bestimmte Anzahl von Volksvertretern.

Die anderen Provinzen des Reiches wurden in zwei weitere Kategorien unterteilt: Halbprovinzen und Niedere Provinzen (provincae dimidiae und provincae humiles). Die Bewohner beider Arten von unvollwertiger Provinz galten nicht als Staatsbürger, hatten also kein Wahlrecht. Bewohner von Halbprovinzen konnten aber, wenn sie vermögend genug waren, zumindest Stadträte oder Beamte des Magistrats der Provinzen werden. Die Niederen Provinzen dagegen wurden zwar zum Reich gezählt, doch ihre Bewohner hatten keinerlei Zugang zu ealdischen Ämtern und durften nicht wählen. Zu diesen Provinzen zählten zum Beispiel die Vasallenkönigreiche, die Lychango-Konföderation oder die Terier.

Im sechsten Jahrhundert wurden die Provinzen Milum (586) und Sardum (618) zu Vollprovinzen, Ratiudum, Abdum-Ra und Blodum zu Halbprovinzen erklärt.

Imperium Ealdum