In der Mitte des zweiten Jahrhunderts vor Meyapotina sind an der
"Straße von Ghormas" (die das westliche vom östlichen
Südmeer trennt) zwei fergiartische Siedlungen entstanden.
Die Fundorte dieser Siedlungsspuren liegen so weit auseinander,
daß man nicht von einer Verbindung der beiden Siedlungen
ausgehen kann. Wann die Fergiartuya in diese Gegend eingefallen
sind, konnte bisher nicht festgestellt werden. Man geht aber gemeinhin
von etwa einem Jahrhundert aus, so daß die hier siedelnden
fergiartischen Stämme entweder mit denjenigen Fergiartuya
verwandt sein müßten, die westlich der Inseln der Magier
lebten, oder aber von Stämmen abstammten, die einen "Umweg"
über den Ahipassni gemacht hatten. Von den sprachlichen Strukturen
ist in dieser Frage keine Entscheidungshilfen zu erwarten, da
die ersten bekannten Namen aus dem ersten Jahrhundert nach Meyapotina
stammen. Diese sind aber zumeist in der Form der Hochsprache überliefert,
da die Verschriftung erst im zweiten Jahrhundert nach Meyapotina
einsetzt.
Die beiden Siedlungen existierten etwa fünfzig Jahre, bis
sie um 100 v.M. zerstört wurden. Die Grabungsergebnisse liefern
das Bild einer vorwiegend agrarischen Gesellschaft, die sich um
städtische Zentren herum konzentrierte. Die beiden Siedlungen
dürften auch keine Ausnahmen dargestellt haben, da der Aufstieg
der Marimarga bereits um die Zeitenwende herum einsetzte. Ein
Königreich wie das des Hvelibìya entsteht schließlich nicht über
Nacht. Aus welchen Gründen die beiden Siedlungen schließlich
untergingen, ist nicht geklärt. Aber es ist gut möglich,
daß entweder eine zweite fergiartische Siedlungswelle eintraf,
oder daß der Niedergang schon mit Verwerfungen innerhalb
der ansässigen fergiartischen Bevölkerung zusammenhing.
Auch der Umstand, daß das Zentrum der Marimarga weiter nördlich
lag, deutet darauf hin.
Wenn der Aufstieg des Reiches auch erst ab 75 n.M. mit dem Vordringen
nach Norden unter Hvelibìya begann, so deuten die weiteren
Funde aus der Marimarga auf eine Entstehung des Reiches in der
Zeit zwischen 50 v.M. und 25 n.M. hin. Wenn die ersten fergiartischen
Siedler sich noch vorwiegend am Meer niederließen (wie die
beiden Siedlungsfunde andeuten), so lag das Kerngebiet der Marimarga
weiter im Inland als die beiden Siedlungen. Auch hier entwickelten
sich naturgemäß agrarische Strukturen, doch im Unterschied
zur Senimarga entstand in der Marimarga eine bedeutende Schicht
von adligen Großgrundbesitzern, welche die Geschicke
und die Entwicklung des Reiches prägte. Aber im Unterschied
auch zu den ersten Siedlungsspuren in diesem Gebiet fehlten dem
Kerngebiet zunächst die städtischen Zentren. Anscheinend
entstand die fergiartische Herrschaft in diesem Gebiet durch die
Unterwerfung indigener Stämme, die dann den Eroberern als
Leibeigene bei der Bewirtschaftung großer Gehöfte helfen
mußten. Aus der späteren Entwicklung läßt
sich aber auch ablesen, daß es innerhalb der fergiartischen
Stämme hier größere Unterschiede gab als im Westen.
So existierte zur Zeit Hvelibìyas eine Schicht von Kleinbauern
und Pächtern, die ihr Tagewerk in Abhängigkeit der Großgrundbesitzer
vollbrachten. Während die Großgrundbesitzer zugleich
auch Krieger waren, die in der Frühzeit durch die Verwendung
der leichten Streitwagen ausgezeichnet waren, stellten die abhängigen
Bauern ein mit Bögen und Spießen ausgerüstetes,
leicht gewappnetes Fußvolk. Den Leibeigenen blieb die Verwendung
von Waffen zunächst gänzlich untersagt.
Größere Siedlungen konnten unter diesen Vorzeichen
anfangs nicht bestehen, wenn es abseits des vom Großgrundbesitz
okkupierten Landes auch Dörfer mit kleineren Bauern gab,
die ihre kleineren Äcker zum Teil gemeinschaftlich bewirtschafteten.
Teilweise existierten diese Dörfer jenseits der Kerngebietes
der Marimarga. Doch erst als die Fergiartuya hier unter der Führung
Hvelibìyas nach Norden vorstießen, konnten aus Siedlungen
anderer Stämme städtische Zentren entstehen. Allerdings
gab es außerhalb des Kerngebietes auch fergiartische Siedlungen,
so etwa das spätere Havarôla, das etwa ab der Zeit
Meyapotinas besiedelt wurde.
Auch der Handel scheint im Kerngebiet noch wenig entwickelt gewesen
zu sein. Schließlich hatten die Großgrundbesitzer
und ihre abhängigen Pächter wenig Bedarf als Handelsgütern.
Einzig Bronze scheint in größeren Mengen importiert
worden zu sein. Im Jahr 25 n.M. taucht in den Quellen erstmals
eine Gilde der Erz- und Eisenhändler auf, die bis auf die
eben angesprochene Zeit zurückgehen dürfte. Ob die Händler
zunächst Fremde oder Einheimische waren, ist unbekannt. Bedeutender
war hier schon das Handwerk, das vor allem für Kleinbauern
mit wenig Grundbesitz als Alternative zum Erwerb des Lebensunterhalts
in Frage kam. Eine agrarische Gesellschaft kann die meisten Dinge
des Lebens ja selbst herstellen, so daß grundlegende Fähigkeiten
schon vorhanden sind, auf denen sich dann eine spezialisierte
Handwerkstätigkeit entwickeln kann. Im Zuge der Reichsausdehnung
kam dann von außen neues Wissen hinzu.
Warum neben den Großgrundbesitzern ein König bestehen konnte, bleibt ungeklärt. Anscheinend konnten sich die Loinnu auf der Grundlage des eigenen Besitzes und der Macht der Tradition behaupten. Mit Hvelibìya scheint zudem ein charismatischer und kriegerisch geschulter König an die Spitze seines Volkes getreten zu sein, dem die Adligen bereitwillig folgten. Es ist wenig über die genauen Umstände der Ausdehnung bekannt, da die Frühgeschichte der eroberten Gebiete außerhalb des fergiartischen Wirkungsbereiches wenig erforscht ist. Jedenfalls findet sich die Erscheinung des Großgrundbesitzes auch außerhalb des Kerngebietes. Jüngere, nicht erbberechtigte Söhne scheinen sich hier neues Land erschlossen zu haben. Es scheint auch wenig traditionelle Bindungen zwischen den Familienzweigen gegeben zu haben, was aber auch durch die spätere Entwicklung und die schlechte Quellenlage vor 100/125 n.M. bedingt sein mag. Im Unterschied zum Kerngebiet kam es in den nördlichen Gebieten der Marimarga aber auch zu einer stärkeren Vermischung mit den Unterworfenen. Dabei fanden wohl auch die Eigenarten der autochthonen Bevölkerung Eingang in die Lebensgewohnheiten der Eroberer, wie etwa das Überleben des "Feuertanzes" (Hurka) zeigt.
Ab 75 n.M. begann dann der
bereits erwähnte Hvelibìya mit der Ausdehnung
des Reiches nach Norden. Hvelibìya war mit fünfundzwanzig
Jahren an die Macht gekommen und hatte es in nur fünf Jahren
fertiggebracht, die großgrundbesitzenden Adligen auf seine
Expansionspolitik einzuschwören. Das war ihm sicherlich dadurch
erleichtert worden, daß die Fergiartuya keine ernstzunehmende
Großmacht in der unmittelbaren Nachbarschaft gegen sich
hatten. Dennoch ist es ja kein geringes Verdienst, eine Schicht
selbstgenügsamer Herren für ein gemeinsames Ziel zu
gewinnen. In dieser Hinsicht ist er sicherlich mit Meyapotina zu vergleichen, der allerdings nur
die Trümmer eines zerfallenden Reiches zusammenzuklauben
brauchte.
Mit ihren Streitwagen waren die Fergiartuya ihren Nachbarn militärisch
überlegen. Und so trug sie ihr Siegeszug in kurzer Zeit bis
zu dem großen Fluß Diskêsa, der im maqárischen
Gebirgsmassiv beginnt und nördlich von Ganira ins Südmeer
fließt. Auch im Südwesten konnte Hevlibìya sein
Reich bis zu einem der frühen Siedlungsgebiete ausdehnen.
Hier dürfte man wohl auch auf fergiartische Bewohner gestoßen
sein. Wie aus den (zugegebenermaßen erst später erstandenen)
Chroniken und aus der Zeit des Fergiartischen Großreiches
hervorgeht, hat Hvelibìya für die eroberten Gebiete
eine Art Herzog ernannt, der die militärische und administrative
Verwaltung für den Herrscher übernahm. Diese als Patìsha bezeichneten Statthalter wurden später
im Rang eines Saranna in den Reichsrat des Fergiartischen
Reiches integriert. Auch bei den späteren Eroberungen wurde
dieses Prinzip in der Marimarga beibehalten.. Diese Statthalter
unterhielten jeweils ein kleines Heer, das für polizeiliche
und repräsentative, sowie für militärische Aufgaben
zuständig war. Diese Truppen wurden außer während
des Thronfolgekriegs (180 - 193 n.M.) erstaunlicherweise nie gegen
den Herrscher der Marimarga eingesetzt. Das lag zum einen daran,
daß das Amt des Patìsha nicht erblich war, obwohl
der Herrscher der Marimarga häufiger den Erbfolger berücksichtigte.
Zum anderen war die Truppenstärke scharf umgrenzt, wenn es
auch je nach Gebiet Unterschiede gab. Für den Loinna der
Marimarga waren diese Provinztruppen aber im Kriegsfall sehr wichtig,
wie die Auseinandersetzung mit den Iaxenioi
ab 150 n.M. zeigt. Sie konnten einen eingefallenen Feind zum einen
so lange beschäftigen, bis die Krieger des Reiches mobilisiert
waren. Zum anderen bildeten sie mit ihrer Erfahrung und ihren
eingeübten Taktiken den Kern des Reichsheeres.
Bei ihrem Eroberungszug trafen die Fergiartuya der Marimarga auch
auf städtische Zentren, die sie in der Folgezeit erweiterten.
Diese Städte stellten auch einen Anziehungspunkt für
diejenigen Fergiartuya dar, die unter der herrschenden Adelsschicht
im Kerngebiet des Reiches keinen geeigneten Lebensunterhalt fanden.
Zwar war die Mobilität der Leibeigenen stark beschränkt,
doch für Kleinbauern und Pächter, die den Anforderungen
bzw. der Konkurrenz ihrer Herren nicht gewachsen waren, stellten
die Städte des Nordens(und später des Westens) eine
chancenreiche Alternative dar. Als Angehörige des Eroberervolks
konnten sie darauf hoffen, sich in den Städten eine Existenz
aufbauen zu können. Vor allem in der frühen Phase der
fergiartischen Herrschaft hatten Menschen mit Geschick und Umsicht
in den Städten große Chancen. Handwerker waren immer
gefragt und im erweiterten Siedlungsgebiet gab es auch für
den Handel größere Möglichkeiten als im agrarischen
Kerngebiet. Dennoch entstanden auch dort mit der Zeit einige wenige
städtische Zentren.
Im Norden konkurrierten die Städte mit den ebenfalls existierenden
adligen Grundbesitzern. Diese waren selbstverständlich
nicht gewillt, ihre Privilegien und ihre Macht aufzugeben. Sie
bemühten sich nach Kräften, die Abwanderung ihrer Arbeitskräfte
in die Städte zu verhindern und versuchten die Versorgung
der Städte mit Getreide und Fleisch zu unterbinden. Als Antwort
darauf entstanden rings um die Städte kleine landwirtschaftliche
Betriebe, die zum Teil von den Stadtbewohnern, zum Teil von zuwandernden
Kleinbauern und Pächtern aus dem Süden bewirtschaftet
wurden. Militärische Maßnahmen gegen die Städte
wurden jedoch von den Truppen der Statthalter unterbunden. Zwar
waren auch die Statthalter Adlige, doch sie besaßen ihre
Position nur auf Abruf. Um sie zu einer neutralen Haltung zu ermuntern,
räumte der Loinna ihnen gewisse Privilegien ein. Ein Gesetz
aus der Zeit des fergiartischen Großreiches bestätigt
ihnen steuerliche Vorteile, "wie sie der Fürst der Marimarga
ihnen seit Alters her gewährt." Auch beim Handel mit
den Städten wurden den Patìshu bestimmte Vorrechte
eingeräumt. So hatten sie auf Märkten ein "Erstkaufrecht"
auf Luxusgüter; d.h., wenn in einer Stadt neue Luxusgüter
auf dem Markt angeboten wurden, durfte der Statthalter die Ware
als erster begutachten und seine Auswahl treffen. Das war wohlgemerkt
ein vom Loinna eingeräumtes Recht. Die Städte versuchten
verständlicherweise auch selbst, durch Gewährung von
Vorrechten den Statthalter auf ihre Seite zu ziehen. Mit der Zeit
dürften die Kämpfe um die Vorherrschaft abgeklungen
sein, so daß beide Seiten zu bestehen vermochten. Außerdem
hatte der entstehende Handel ja auch Vorteile für die Grundbesitzer,
die etwa mit ihren Nahrungsmitteln auf den Märkten der Stadt
den Preis diktieren konnten. Vor allem, als die Bevölkerung
etwa ab dem Ende des ersten Jahrhunderts zu wachsen begann, konnten
die Städte den Bedarf an Getreide und Fleisch oft nicht mehr
selbst decken. Auf dem agrarischen Sektor konnten die Landbesitzer
ihre Vormachtstellung daher sogar ausbauen.
Abseits der Städte setzten die Großgrundbesitzer ihre
Politik der Unterdrückung der einheimischen Bevölkerung
weiterhin durch. Die unterworfene Landbevölkerung wurde wiederum
großteils zu Leibeigenen gemacht, wenn sich ein adliger
Fergiartu einen Hof und eine Existenz im eroberten Gebiet aufbaute.
Es gab allerdings auch durchaus indigene Bauern, die sich ihre
Unabhängigkeit bewahren konnten. Das Land wurde also nicht
etwa planmäßig auf die Eroberer aufgeteilt; allerdings
hinderte auch niemand einen Adligen daran, sich das Land eines
Einheimischen zu nehmen; es sei denn, dieser konnte sich militärisch
behaupten. Zum Teil hing das auch von der jeweiligen Lage eines
Hofes, zum Teil von seiner Größe ab. Auch in den Städten
konnten Teile der unterworfenen Bevölkerung ihr Auskommen
finden. Allerdings wurde der Zuzug von Leibeigenen gesetzlich
unterbunden.
War die Ausdehnung nach
Norden noch auch dem Bevölkerungswachstum in den Kernlanden
zu schulden gewesen, so war die Expansion nach Westen unter den
Egripaten
der eindeutige Versuch der Herrscher, die eigene Macht zu vergrößern.
Hatte man der unterworfene Bevölkerung vorher noch das Land
gestohlen, so unterwarf man sie jetzt "nur" der eigenen
Herrschaft. Oder jedenfalls fast, denn natürlich gab es unter
den Kriegern auch jetzt solche, die sich in der eroberten Fremde
eine eigene Existenz aufbauen wollten. Aber im Westen war der
Anteil der indigenen Bevölkerung an der besitzenden Schicht
wesentlich höher als im Rest der Marimarga - und das auch
auf dem Land. Zwar entwickelte sich auch hier fergiartischer Grundbesitz,
der dem im Osten vergleichbar war, aber die Schicht der Großgrundbesitzer
war im Verhältnis kleiner. Statt dessen gab es im Westen
einen größeren Anteil an unabhängigen kleineren
Höfen und Dörfern. Im Unterschied zum Osten wurde den
Unterworfenen im Westen aber eine Kopfsteuer aufgezwungen, von
der die Aufrechterhaltung der Herrschaft bezahlt wurde. Die eroberten
Städte wurden dagegen denen im Osten gleichgestellt, trugen
allerdings Städte eine höhere Steuerlast. Zum Teil entstand
dadurch eine Abwanderung von Bewohnern in den Osten.
Im Unterschied zur Ausdehnung nach Norden, stellte die Erweiterung
des Reiches nach Westen eine von mehreren Herrschern betriebene
Expansionspolitik von fast sechzig Jahren dar. Die Eroberung geschah
in Schüben, manchmal durchaus auch unter friedlichen Bedingungen.
Das jedenfalls läßt sich aus einem in Alataris entstandenen
Bericht erschließen, in dem es um die Aufnahme einer Stadt
namens Padêra
(Padeira) geht, die ursprünglich zum weiteren Einzugsgebiet
von Alataris gehörte. Diese Stadt schloß im Jahre 122
n.M. einen Vertrag mit dem Loinna der Marimarga, in dem für
die Gewährung gewisser Handelsprivilegien und Steuererleichterungen
ein Beitritt zum Reich angeboten wurde. Am östlichen Rand
des alatarischen Herrschaftsgebietes gab es einige unabhängige
Städte, die sich über Generationen der direkten Herrschaft
von Alataris entziehen konnten. Zwar hatten sie Steuern an die
Vormacht der Inseln der Magier gezahlt, wurden aber autonom regiert;
zumeist von Stadträten.
Weil die beiden Mächte Alataris und die Marimarga in dieser
Zeit noch keine direkten Gegner waren, fand man sich in Alataris
mit dem Verlust des Einflusses in Padêra ab.
Durch die nur schubweise
stattfindende Ausdehnung gab es zwischendurch immer genügend
Zeit, um die eroberten Gebiete in die bestehenden Strukturen einzubinden.
Wie im Norden kreierte man auch im Westen Patìshu, welche der verlängerte Arm des Herrschers waren.
Im Unterschied zu der doch eher administrativen
Macht des Herrschers
in der Senimarga und in Satisanzia, bemühten sich die Loinna
der Egripaten um eine Ausdehnung ihres eigenen Besitzes und damit
der eigenen Macht. So wurden immer wieder einzelne Landstriche
des eroberten Gebietes von diesen in Beschlag genommen. Auf dem
so gebildeten "Kronland" (Lunnêta) wurden
dann große Gehöfte errichtet, die von Pächtern
für den Herrscher bewirtschaftet wurden. Dabei handelte es
sich vor allem um Kleinbauern, die dafür, daß sie sich
bereit erklärten als Pächter auf dem Land des Loinna
zu arbeiten, von diesem die Erlaubnis bekamen, einen Teil der
erwirtschafteten Ernte etc. für den Eigenbedarf abzuzweigen.
Meist bewirtschafteten mehrere Kleinbauern mit ihren Familien
ein solches Gehöft, doch es gab auch kleinere Betriebe, die
nur von einem Kleinbauern samt Familie betreut wurden. Insgesamt
verzeichnet eine Liste aus dem dritten Jahrhundert n.M. einhundertundfünf
Gehöfte auf Kronland. Allerdings gab es auch Kronland von
einer solchen Ausdehnung, daß zwei oder drei Gehöfte
auf ihm Platz fanden. Auf diese Weise gehörte dem Loinna
der Marimarga etwa 15 Prozent des Reichsgebietes.
Natürlich war die Versuchung der Pächter groß,
sich mehr als den ihnen zustehenden Anteil am Ertrag der Gehöfte
einzuverleiben. Zur Kontrolle entsandte der König einmal
jährlich einen Beamten, der die Höfe kontrollierte.
Um Bestechungsversuchen vorzubeugen, wechselten die Beamten, denen
die Kontrollaufgabe zufiel. Erwirtschaftete ein Pächter
weniger als der Hof hergeben konnte, wurde er vom Loinna ausgewechselt.
Teilweise wurde er auch finanziell zur Rechenschaft gezogen. All
diese Maßnahmen sorgten dafür, daß der Reichtum
und die Macht des Loinna wuchsen. Der auf dem Kronland erwirtschaftete
Gewinn wurden in den Ausbau der Infrastruktur sowie in ein ab
136 n.M. entstehendes, aus jungen Adligen, Berufskriegern und
Freiwillige zusammengesetztes stehendes Heer investiert. Auch
wurde das Geld zum Bau von Festungen und den Ausbau der Hauptstadt
Havarôla verwendet.
Neben den Eroberungen waren
die Egripaten aber auch um den inneren Ausbau des Reiches bemüht.
So baute man wie im Norden eine Reichsstraße, die von Havarôla
ausgehend quer durch das Reich verlief und später in Ganira
endete. Weiterhin bemühten sich die Herrscher um den Aufbau
einer Flotte und um die Förderung des Meereshandels mit den
Inseln der Magier und dem südlichen "Nachbarn",
dem Khalcydischen Reich. Vor allem zwischen Sollêna und
Ghormas entwickelte sich ein reger Warenaustausch. Aus dem Khalcydischen
Reich kamen vorwiegend Seide und Gewürze, während die
Marimarga vor allem Getreide und Schmuck exportierte. Von den
Inseln der Magier kam vorwiegend Papier und Wein im Austausch
gegen Getreide und Fleisch.
Durch die Förderung der Städte entwickelte das Reich
neben kriegerischen auch die wirtschaftlichen Kräfte. Vor
allem der Handel nahm zwischen 110 und 140 n.M. eine rege Entwicklung.
Fergiartische Händler aus der Marimarga ließen sich
schon auf den Inseln der Magier nieder, als der Handel der Satisanzia
diesen Markt erst entdeckte. Wir hatten bereits im letzten Abschnitt
über die Begegnung zweier Händler aus den beiden
Reichen berichtet. Man konnte bei Ausgrabungen mehrere Häuser
fergiartischen Händler freilegen. Anscheinend gab es wirklich
bereits so etwas wie Handelshäuser oder Händlervereinigungen,
die ihre Mitglieder auf die Inseln schickte. Neben dem Großgrundbesitz
nahmen auch die Städte über ihre Gilden und deren wirtschaftliche
Macht Einfluß auf die Reichspolitik. Im Unterschied zur
Satisanzia gab es in der Marimarga keinen Reichsrat. Wohl aber
hielt sich der Loinna ein Beratungsgremium, in dem neben dem Adel
auch die Städte vertreten waren. Erst durch den Thronfolgekrieg
zwischen 180 und 193 n.M. gewann der Rat einen größeren
Einfluß auf die Reichspolitik. Dennoch blieben die Herrscher
der Marimarga durch ihr stehendes Heer und ihre wirtschaftliche
Macht dank des Kronlandes unabhängiger als selbst der Parsha des Großreiches.
Aufgrund der schwindenden
Macht von Alataris und dem Aufstieg der Könige von Iaxenios
gelang den Egripaten in der Mitte des zweiten Jahrhunderts die
Ausdehnung der westlichen Reichsgrenze in die von den Inseln der
Magier kontrollierte Küstenregion. Höhepunkt dieses
Vorstoßes war die Eroberung der wichtigen Hafenstadt Ganira im
Jahr 155 n.M. Auch wenn ihre Herrschaft dort zunächst nur
fünfundzwanzig Jahre dauerte, so profitierte die Marimarga
doch vom kulturellen und wirtschaftlichen Einfluß der Stadtstaaten.
Mit der Beherrschung eines wichtigen Hafens nahmen nicht nur die
maritimen Kenntnisse zu, sondern auch der Handel nahm einen großen
Aufschwung. Die ansässigen Schiffsbauer halfen beim Aufbau
einer eigenen Handels- aber auch militärischen Flotte. Hatte
man sich die Schiffe - und häufig auch die Seeleute - vorher
noch teuer zukaufen müssen, so konnte man diese nun in Eigenregie
bauen und bemannen. Im Unterschied zum doch eher als Landmacht
bedeutenden Khalcydischen Reich, handelte es sich bei den Städten
der Inseln der Magier doch eher um Seemächte. Nicht zu unterschätzen
ist weiterhin die Zunahme der Kenntnisse im alchemistisch-medizinischen
Bereich. Auf den Inseln der Magier hatten die Versuche alchemistischer
Transformationen eine lange Tradition. Neben den materiellen Aspekten
hatten auch die medizinischen Kenntnisse durch die alchemistischen
Experimente zugenommen. War man in der Marimarga vorher auf reisende
Praktikanten oder - bedingt durch die Schwäche von Alataris
- die Dienste von Überläufern angewiesen, so wandte
sich nun eine Reihe interessierter Fergiartuya ernsthaft dem Studium
und der Ausübung der alchemistischen Künste zu. In der
Bezeichnung "Inseln der Magier", der fergiartischen
Ursprungs ist ("Arkêne Mêyalun") kommt unter
anderem auch die Bewunderung für den allgemeinen kulturellen
Vorsprung der Stadtstaaten zum Ausdruck, der sich eben auch auf
das Gebiet der Alchemie erstreckte. In der Marimarga entwickelten
vor allem die medizinischen Aspekte der Alchemie eine große
Bedeutung; damit einhergehend stieg auch die sanitäre Lage
fergiartischer Städte in der Marimarga.
Auch auf dem künstlerischen Gebiet vor allem der Architektur
und Literatur ging ein großer Einfluß von den Inseln
der Magier aus. In der Zeit zwischen 150 und 250 n.M. wurde die
Baukunst der Stadtstaaten für die Architektur der Marimarga
so bedeutend, daß sich eine Mischarchitektur entwickelte,
in der das fergiartische Element schwächer ausgeprägt
war als im Norden. So findet man vor allem im Westen der Marimarga
viele Gebäude im Stil der Stadtstaaten. Auch in der weit
im Nordosten liegenden Hauptstadt Havarôla findet man einige
Bauwerke dieser Art. Wichtige Elemente dieser Architektur sind
Säulen, Kolonnaden, Bögen und dekorative Momente wie
z.B. Mosaiken. Auch die Verwendung von Tonnengewölben wurde
für die fergiartische Seite der Architektur wichtig.
Auf dem Gebiet der Literatur kam es durch die Berührung mit
Gedichten, Epen und Theaterstücken der Inseln der Magier
zu einem Aufschwung des Interesses für die eigene Kultur.
Wie im Norden drei Jahrhunderte zuvor bemühte man sich um
die Verschriftung alter Volkssagen und Mythen sowie
um die Verwendung traditioneller Themen und Motive für das
eigene Schaffen. Allerdings hatte das Fehlen einer eigenen Schrift
die Folge, daß man sich hierbei der fremden Sprache und
Schrift bedienen mußte. Erst mit der Aufnahme ins fergiartische
Großreich und der Verwendung der über den satisantischen
Konflikt mit Iaxenios kennengelernten fergiartischen Schrift fand
man zu einem Ausdruck in der eigenen Sprache. Wenn es später
auch zur Übersetzung eines großen Teils der frühen
Literatur in das Fergiartische kam, so blieb die Verwendung des
Alatarischen auch später erhalten.
Als der letzte Herrscher der Egripaten, Begauta II.
im Jahre 180 n.M. starb, kam es zu einem Thronfolgekrieg im Reich.
Die ambitionierte Witwe des Loinna, Gesalina, versuchte im Konflikt
mit dem Rat an der Macht zu bleiben. Während sich ein Teil
der Patìshu und der adligen Großgrundbesitzer mit
der Witwe arrangierte, scharte sich der andere Teil um den Adligen
Dirkena aus der Familie der Belarmi. Vor allem die westlichen
Provinzen bevorzugten Dirkena, während die Adligen des Kernlandes
und des Nordens zumindest äußerlich Gesalina - und
damit der Familie der Egripaten - die Treue hielten. In der Folgezeit
kam es zu militärischen Konflikten zwischen den beiden Seiten.
Hiervon profitierte zunächst der König von Iaxenios,
der 181 Ganira zurückeroberte und die Küstenregion seiner
Kontrolle unterwarf. Im Zuge der inneren Auseinandersetzung gab
die Marimarga ihre Kontrolle über diese Gegend rasch auf.
Bemüht ihre Vormachtstellung gegenüber den anderen Stadtstaaten
auszubauen, nutzten die Iaxenioi ihrerseits ihren Vorteil nicht
weiter. Der kulturelle und wirtschaftliche Austausch zwischen
den beiden Gebieten blieb jedoch weiterhin erhalten. Nachdem die
Fergiartuya Ganira verloren hatten, wurde Padêra
für einige Zeit zum wichtigsten Hafen der Marimarga.
Der militärische Konflikt zwischen den beiden Parteien führte auf wirtschaftlichem Gebiet zu einer unterschiedlichen Entwicklung, die auf den Unterschieden in der Bevölkerungsstruktur beruhte. Im Westen bekam die indigene Bevölkerung, die zu Dirkena hielt, ein größeres Gewicht auf die Herrschaftsstrukturen. So wurde die Stelle zumindest eines Patìsha von einem Adligen der ansässigen Bevölkerung eingenommen. Auch die Städte konnten ihren Einfluß auf die Politik des Westteils erweitern, was auch zu einer minderen Steuerlast führte. Im Osten konnten die adligen Großgrundbesitzer ihren Einfluß im Kronrat weiter ausbauen. Da besonders ihre militärische Treue zur Herrscherwitwe deren Macht garantierte, organisierten sie sich hinter fünf Mitgliedern des Beratungsgremiums, die als ihre Stimme gegenüber dem Herrscher fungierten. In der Folgezeit entwickelte sich hier eine wichtige Partei der Reichspolitik. Weil die Befürworter Dirkenas den Aktivitäten im Rat während des Konflikts naturgemäß fernblieben, hatten sie nach dem Herrschaftsantritt Dirkenas einen Nachteil gegenüber den "alten" Reichsteilen. Dies konnten sie jedoch durch ihren wirtschaftlichen Vorteil kompensieren. Denn die größere Macht der grundbesitzenden Adligen im Osten brachte eine gewisse Unterentwicklung des Handels mit sich. Zwar war der Osten aufgrund seiner Struktur auf dem agrarischen Sektor im Vorteil, doch der Westen holte auch auf diesem Gebiet stetig auf.
Nach den ersten militärischen
Auseinandersetzungen, in denen keine der beiden Seiten einen entscheidenden
Vorteil erringen konnte, arrangierte man sich mit der Situation.
Allerdings tat Gesalina wenig in der Frage der Nachfolge. Obwohl
besonders die Großgrundbesitzer auf eine Heirat drängten
und die unverheirateten Adligen sich um die Hand der Herrscherwitwe
bemühten, handelte die Herrscherin nicht. Anscheinend war
es ihr vor allem um die eigene Macht gegangen. Sie und Begauta
hatten keine Kinder miteinander gehabt und im Alter von zweiundfünfzig
Jahren war es fraglich, ob Gesalina noch einmal gebären konnte.
Vielleicht war sie auch unfruchtbar. Dennoch hätte ja auch
eine Adoption einen Nachfolger produzieren können; im schlimmsten
Fall hätte ihr Ehemann und dessen Familie die Nachfolge angetreteten.
Als Gesalina jedoch 193 n.M. starb, zerfiel die Opposition des
Westens in kürzester Zeit. Dirkena konnte noch im selben
Jahr in der Hauptstadt einziehen und den Thron besteigen.