I.2. Lautliche Entwicklung des Westelfischen
I.2.1. Betonung
Im Unterschied zum Eleiar
verfügt das Westelfische über eine Betonung der Pänultima,
also der vorletzten Silbe. Es gibt allerdings Einschränkungen.
Bei Worten, die einen Präfix
besitzen, war ja auch im Eleion schon die Stammsilbe betont; wie
eben in Elèion. In solchen dreisilbigen Worten blieb
die alte Betonung erhalten. In viersilbigen Worten sprang der
Akzent jedoch auf die drittletze Silbe, wenn die Silbe offen war
und einen kurzen Vokal besaß; z.B.: lànamanal
Þ
*lanàmanal. Besaß die Pänultima dagegen
einen langen Vokal, einen Diphtong oder handelte es sich um eine
geschlossene Silbe, so fiel der Akzent auf die Pänultima;
Beispiele: ìndarénte Þ *indarénte;
ùrtathante (beim Seher) Þ *urtathànte.
Durch den Wandel in der Betonung kam es zur Synkope (dem Ausfall)
kurzer Vokale wie e, i oder y vor oder hinter der betonten Silbe;
vor allem, wenn die Silbe offen ist; z.B.: *mehelèion
Þ
melèion ("Nichtelfen", Fremder); ar
sùninilme (Oberbefehlshaber) Þ sunìlme.
I.2.2. Vokalismus
Durch den Wandel in der Betonung kam es zu einer unterschiedlichen
Weiterentwicklung der Vokale in Bezug auf die Stellung, d.h. die
Silbe, in der die Vokale vorkommen. Während anlautende Vokale
großteils ihre Qualität beibehielten, erfuhren die
kurzen Vokale in den Mittelsilben eine Hebung; es sei denn, sie
waren ursprünglich betont. Hier entwickelten sie sich großteils
wie anlautende Vokale. Wir wollen die vokalischen Veränderungen
des Westelfischen hier deshalb in drei Abschnitten darstellen:
1.) Vokale im Anlaut, 2.) Vokale in den Mittelsilben, 3.) Vokale
im Auslaut.
1.) Anlautende Silben
Wie wir beschrieben haben, gab es im Eleiar eine Anfangsbetonung;
deshalb blieben die Vokale hier qualitativ erhalten:
MONOPHTONGE
a
arfal Þ arfel (widrig); tarda (schmerzhaft)
a:
árdal Þ árdel (stolz, erhaben); páral Þ párel (geschickt)
e
erthal Þ erthel (heilig), demiaddan Þ demidden(fühlen, spüren)
1. Vor velarem Nasal (ng, nc) wurde [e] zu [i]; z.B.: dengoÞ lingu (einfühlsam)
2. Ein v oder w in der Umgebung bewirkte den Übergang von [e] zu [o]; z.B.: bewos Þ bovus (Ding, Sache); wenta Þ vonta (gemeinsam)
3. e wurde vor verlarem [l] (d.i. [l] vor [o], [u] und vor Konsonant) wiederum zu [o]; z.B.: celdón Þ coldón (Fröhlichkeit), aber celda (fröhlich)!
e:
délis (Schrift); cél (drei)
o
bronim (Holz), nor (ich)
1. [o] Þ [u] vor velarem Nasal und [m]; z.B.: homa Þ huma (ihr), fol Þ ful (weg, ab,her - von)
2. [o] Þ [u] vor [l] + Konsonant; z.B.: golda Þ gulda (töricht)
o:
dólos Þ dólus (Stamm); drócon Þ drócun (Kürze)
y
Der Schwalaut wird zu [a] weiterentwickelt; z.B.: cyta Þ cata
i
birca (Stadt); inthe (Jagd, Hatz)
1. [i] Þ [e] vor aus intervokalischem [z] und [s] entstandenen [r]; z.B.: nisal Þ nirel (mächtig, stark);
i:
dírach (Ebene); rílim (Klang, Ton)
u
drulme (Bach, Rinnsal); gunda (unfruchtbar)
1. Zwischen l und einem darauf folgenden Labial wie [b] oder [v] wurde [u] zu [i]; z.B.: lupatha (Schlucht, Abgrund) Þ lipetha.
u:
múniaddan Þ múnidden (zugreifen, zupacken); núral Þ núrel (lang)
DIPHTONGE
ai
ae [æ]; z.B.: aifal Þ aefel (jung); baidalon Þ baedilon (Anmut, Grazie)
ei
Dieser Laut wurde im Westelfischen zu [i:]. Der Wandel scheint allerdings erst etwas später eingetreten zu sein, denn in Inschriften aus der Zeit kurz nach der Großen Wanderung wird der Laut noch mit <ei> wiedergegeben. Beispiele der Lautung auf [í]: beindis Þ bíndis (Erkenntnis); geinil Þ gínil (Denker).
au
bleibt im Westelfischen unverändert; z.B.: gausath Þ gaureth (Fremder); aupal Þ aupel (klein)
eo
zeigt keine Veränderung; z.B.: geora (Horn); eoldetha Þ eolditha (Eule)
oi
Dieser am Silbenstoß entstandene Diphtong wird im Westelfischen zu [u:]; z.B.: a scoim : scúm (Hügel, m.).
2.) Nicht anlautende Silben
Die Hebung der inlautenden, unbetonten Silben fiel je nach Silbenstruktur
unterschiedlich aus. Daher werden wir diese Änderungen a)
in offener und b) in geschlossener Silbe behandeln. Die ehemals
und weiterhin betonten Vokale behandeln wir an gegebener Stelle,
wo sich eine Änderung zu anlautenden Silben ergab.
OFFENE SILBEN
Alle kurzen Vokale werden zu [i], es sei denn, die anlautende
Silbe enthält ebenfalls ein [i]; z.B.: lipetha
a
baidalon : baedilun, lanamanal : laniminel
1. In der Kombination [ja] wurde die gesamte Lautgruppe zu [i]; z.B.: múniaddan Þ múnidden, demiaddan Þ demidden
e
eoldetho : eoldithu (Gen. zu eoldeth, Späher, Kundschafter)
1. In durchgängig betonten Silben bleibt der Wandel auf der Stufe [e] stehen; z.B.: Eleiun
o
estocon Þ esticun (Spitze); gheondolo Þ heondilu, Gen. zu gheondol (willkommen)
i
*suninilme Þ sunilme
u
slídiro
(Gen. des Part. Perf. zu slínidden)
1. Vor [l] kommt es zu einer zweigeteilten Entwicklung. Vor palatalem[l]
(d.i. [l] vor [i], [j]) erscheint der Vokal als [i],vor velarem
[l] als[u]; z.B.: dónulo (Gen. zu dónul,
aussätzig) Þ dónulu; aber: dónilis
(Nom. Pl.).
2. Vor [r] (auch [r] aus [s, z]) bleibt die Hebung auf der Stufe
[e] stehen; z.B.: ciluro Þ cileru (Gen. zu Fuß)
3. In gleichbleibend betonten Silben bleibt der Wandel zu [i]
aus; z.B.: cethurel (flinker)
GESCHLOSSENE SILBEN
a wird zu [e] und
o wird zu [u], während [e, i] und [u] unverändert bleiben:
a
galda : megelda (unnahrhaft); tarda : meterda (schmerzlos)
1. vor [ng] wird [e] wiederum zu [i]; z.B.: lanca : melinca (über *melenca) (unersichtlich)
2. vor velarem [l] wird dieses [e] wiederum zu [u]; z.B.: megalda Þ meguldó (Gen.)
e
folserpeme Þ fulserpime (Dieb)
1. vor velarem [l] wird [e] zu [u]; z.B.: escelthe Þ esculle (Wagen).
o
bronim : ebrunim (Holz, Gehölz), gulda Þ cegulda (Komp. zu gulda)
u
thurda : cethurda (wütender)
DIPHTONGE
Während sich [ei] wie im Anlaut entwickelte, wurden [ai]
und [oi], die ja im Eleiar vor allem im Silbenstoß zustande
kamen, zu í und ú. Beispiele: ddíraddan
: roddíranc (es wird gemischt); thrí
: methrí (beständig : unbeständig); ívís
: ívísu (Gen. zu iswais, Treffer);
baidel : mebídel (ungraziös); trú
: metrúhu (Gen. zu methroigh, unehrlich).
Der Diphtong -eo- blieb unverändert.
LANGVOKALE
Die langen Vokale behielten ihre Quantität und Qualität
in offenen Silben bei. In geschlossenen Silben wurden die Vokale
jedoch gekürzt; z.B.: edélidden (einschreiben,
eintragen);.
OFFENE SILBEN
a
bleibt erhalten; z.B.: geora (Horn, m.); vonta (gemeinsam)
e
bleibt ebenfalls unverändert; z.B.: indire : indire (Jäger, m.); esculle (Wagen)
o
Þ u; z.B.: dengo : lingu; ciluro : cileru; aber auch indire : indireu (Gen. Sg.).!
i
Þ e; z.B.: broningi : broninge
u
zeigt keine Veränderung; z.B.: siaddu (vom Volk).
y
entfällt; z.B.: rolamancy Þ rolimenc (du wirst gesehen)
GESCHLOSSENE SILBEN
a
Þ e; z.B.: thural : thurel, árdal : árdel
1. vor [c] blieb [a] jedoch erhalten; z.B.: faltach (Härte)
e
bleibt erhalten; siadd : siaddes (Dativ Plural zu a siadd, Volk)
i
bleibt ebenfalls erhalten; z.B.: cinis (Nom.Pl. zu cin, dieser).
o, u
Þ u; z.B.: dólos : dólus; Eleion : Eleiun; lamun (ich möchte sehen).
DIPHTONGE UND LANGVOKALE
Während sich [ai] wiederum zu í entwickelt, wird [oi]
zu [u:]; z.B.: slidiai Þ slidí (du gibst); ddiniois (die
Winde) : ddiniú. Der am Silbenstoß entstandene
Diphtong [au] wird zu [o], während [eo] silbisch behandelt
und zu [eu] wird; z.B.: georau Þ georo (Partitiv zu geora, Horn); indareo
Þ
indireu (vgl. oben).
Die langen Vokale blieben erhalten; z.B.: ar indirú
(Partitiv zu indire, Jäger); georós
(Gen. Pl. zu geora).
I.2.3. Halbvokale
Die Halbvokale wollen wir je nach ihrer Position im Wort in drei
Abschnitten behandeln: 1.) anlautend, 2.) postkonsonantisch und
3.) intervokalisch.
IM ANLAUT
j blieb erhalten; z.B.: ian (und, auch); iorra (Blüte)
w Im Anlaut machte w den Wandel zu v durch; z.B.: vonta
(gemeinsam), vargil (Dämon).
POSTKONSONANTISCH
Im allgemeinen wurden [w] und [j] nach Konsonanten vokalisiert;
z.B.: ddiniu (Wind), barduidden (singen). Dieser
Wandel muß schon sehr früh eingetreten sein, da auch
die Südelfen diese Lautung besitzen.
1. -dj, gj, sj- Þ -ij-, das mit i wiedergegeben wurde; z.B.:
a ghadio Þ haiu [haiju] (Tropfen, m.); a nisio
Þ
niiu (Insekt).
2. In der Kombination [ja] ging [j] mit dem Wandel von [a] Þ [i] verloren;
z.B.: múniaddan Þ múnidden (zugreifen); ebenso (durch
Analogie) múnian Þ múnin (ich greife zu).
3. [w] fiel vor [u] und [o]; z.B.: a cerwos Þ cerus
(Talg, Fett)
4. Während [w] nach [p, b], wenn es überhaupt vorkam,
geschwunden sein dürfte, ging es in der Lautgruppe [gw] in
[v] über; z.B.: a begwe Þ bove (Irrlicht).
INTERVOKALISCH
j entfiel intervokalisch, außer nach betonten Vokalen; z.B.:
ar althaio Þ alliu (Frost, m.); aber: Eleiun.
w außer zwischen gleichen Vokalen wurde [w] wie im Anlaut
zu [v]; z.B.: a bewos Þ bovus; thawin Þ thavin (wild)
1. Zwischen gleichen Vokalen entfiel [w] und die Vokale kontrahierten;
z.B.: o ddrewe Þ fre (Maus, f.).
I.2.4. Konsonantismus
PLOSIVE
Die Plosive des Eleiar blieben im allgemeinen unverändert
erhalten.
p
o páralon Þ párilun (Geschicklichkeit); pónia (unstet)
b
beindis Þ bíndis (Wissen); bronim (Holz)
t
tica (niemand); turil (Eisen)
d
dólus (Stamm); erdel (pflegend)
1. teilweise kam es zu einem spontanen Wandel zu [l]; z.B.: dengo Þ lingo
k
acus (er); celda (fröhlich)
1. in der Verbindung [kw] blieb [k] meist erhalten; außer vor [o, u], wo es entfiel; z.B.: drócuidden (kürzen); o cuon Þ con (Erde, f.).
g
ginthe (Denken); gaunel (öde)
1. in der Kombination [gw] trat ein Wandel zu [v] ein; z.B.: bove (Irrlicht)
FRIKATIVE
th, dd
blieben im wesentlichen unverändert; z.B.: ddeinigh Þ ddíni (wehmütig); thurda (wütend)
1. [ð und þ] assimilierten sich an [l]; z.B.: esculle (Wagen); alliu (Frost)
2. Im Anlaut vor [r] und [l] wurde [dd] zu [f]; z.B.: ddreon Þ freon (Suche)
s, z
Während s im An- und Auslaut unverändert blieb, wurde [z] in allen Positionen (in denen es diesen Wandel in der gemein-elfischen Phase noch nicht gemacht hatte) zu [r]; z.B.: dólus (Stamm); siadd (Stamm); zido (sieben) Þ ridu; gazal Þ garel (glänzend)
1. Intervokalisch wurde [s] (wie auch [z]) zu [r]; z.B.: ghusaddan Þ huridden (schlucken, trinken); ghusol Þ hurul (Getränk, Trank)
2. vor [w] wurde [s] zu [z], das dann mit Ersatzdehnung des vorausgehenden Vokals schwand; z.B.: ghuswas Þ húrus (Tränke); iswais Þ ívís (Treffer)
3. vor [r] wurde [s] assimiliert; a iosra Þ iorra (Blüte)
ch, gh
Während [c] großteils in allen Positionen erhalten blieb, wurde [g] im Anlaut und intervokalisch zu [h]; z.B.: faltach (Härte); ghusol Þ hurul (Getränk,Trank); írihu (Gen. zu airigh, begehrlich); truhu (ehrlich)
1. Im absoluten Auslaut schwand gh; z.B.: íri : írihu (begehrlich)
NASALE
Die Nasale blieben ebenfalls unverändert. Beispiele: esticun
(Spitze); nirel (mächtig,
stark).
LIQUIDA
Für [r] und [l] gilt ähnliches wie für die Nasale.
[l] assimilierte jedoch folgendes [þ];z.B.: esulle.