I. Vorbemerkungen
Es ist nicht ganz einfach, die Gesellschaft "der Fergiartuya"
zu beschreiben; jedenfalls nicht, wenn man der Diversität
der verschiedenen Stämme gerecht werden will, die das Volk
von Fergiartu bildeten. Eine wichtige Begriffsklärung muß
hier zunächst eingeführt werden: Wenn wir von "den
Fergiartuya" sprechen, verwenden wir einen Begriff aus der
fergiartischen Sprache, der die Bewohner eines bestimmten Gebietes
bezeichnet. In diesem Falle eben die Bewohner des fergiartischen
Reiches bzw. die Mitglieder der verschiedenen fergiartischen Stämme
allgemein. "Fergiartu" bezeichnet im Gegensatz dazu
einmal den fergiartischen Stamm der Fergiartu, der ursprünglich
in der Bucht von Sakasemme siedelte; dann in einem erweiterten
Sinne das fergiartische (Groß)Reich bzw. das "fergiartische
Volk" in seinen verschiedenen zeitlichen und geographischen
Ausprägungen.
Wie sich aus dieser Begriffsunterscheidung ablesen läßt,
geht es bei der angesprochenen Diversität noch nicht einmal
um die Vermischung mit anderen Volksgruppen in dem riesigen Reich.
Selbst für die großen drei Bereiche des frühen
Reiches (Senimarga, Satisanzia/Fergiartu und Marimarga) läßt sich keine "einheitliche"
Gesellschaft beschreiben. Zwar stehen die Senimarga und Satisanzia
als Vorgänger- und Nachfolgestaat in ihren Eigenschaften
näher beieinander als etwa Satisanzia und die Marimarga,
doch schon zwischen dem ursprünglichen Stamm der Fergiartu
und den Bewohnern Satisanzias klafft eine große Lücke.
Weiter erschwert wird die Lage natürlich noch durch den Umstand,
daß die Bewohner Satisanzias wesentlich inhomogener zusammengesetzt
waren, als beispielsweise die Bewohner der Marimarga, die in ihrem
"fergiartischen" Bestandteil höchstwahrscheinlich
auf einen einzigen Stamm zurückgingen, der sich freilich
im Zuge der Ausdehnung nach Westen mit ganz anderen Volksgruppen
vermischte.
Erschwerend kommt noch hinzu, daß man aus der Frühzeit
relativ wenige und dazu noch inkongruente Spuren kennt. Wir haben
auch in unserer historischen Einleitung davon gesprochen. Da die
Fergiartuya aus den Steppen jenseits der Landbrücke gekommen
sind, lassen sie sich sicherlich von ihrem Ursprung her als Nomadenvolk
beschreiben. Doch während ein Teil der Stämme diesen
nomadischen Charakter länger behalten hat und bis zum Gebiet
der Maqára vorgedrungen ist (wo diese Stämme erst
etwa seit dem dritten Jahrhundert n.M. seßhaft geworden
und aus der geschichtlichen Anonymität herausgetreten sind),
hat die überwiegende Mehrheit der Fergiartuya die nomadische
Lebensweise relativ bald abgelegt. Dafür sprechen vor allem
die frühen Siedlungsspuren aus der Bucht von Valyêkana. Das Fürstengrab von Remayêka könnte noch aus der Zeit der
nomadischen Lebensweise stammen, denn außer dem Grab selbst
sind keine Siedlungsreste aus dieser Zeit bekannt. Die frühesten
Siedlungsfunde dieser Gegend stammen aus dem fünften Jahrhundert
vor der Reichsgründung durch Meyapotina.
Wieso haben die Fergiartuya dann ihre nomadische Lebensweise so
schnell abgelegt? Zwischen der Einwanderung und den ersten Siedlungsspuren
liegen schließlich nur etwa dreihundert Jahre. Einige Gelehrte
haben deshalb geschlußfolgert, daß die Fergiartuya
nur relativ wenige Mitglieder gehabt hätten, die sich entweder
mit anderen, bereits seßhaften Völkern vermischt hätten,
oder die Fergiartuya seien als Eroberer gekommen und hätten
sich als reine Führungsschicht etabliert. Dagegen spricht
freilich die große Anzahl der Stämme, die noch dazu
einen ganzen Kontinent besiedelten und schließlich beherrschten.
Auch die einem solchen Prozeß innewohnende Dynamik spricht
gegen eine solche Vermutung. Ganz widerlegen läßt sie
sich aber nicht, zumal wir kaum Informationen über die Bevölkerung
des Kontinents zur Zeit der Einwanderung der Fergiartuya besitzen,
geschweige denn aus der Zeit davor.
Die weitere Gliederung:
Das erste fergiartische Königreich
Gesellschaft der Satisanzia (bis Meyapotinas Tod)