Historische Einleitung

 

Sie kamen aus den Weiten der nördlichen Steppe und wanderten über die Landbrücke im Nordwesten in die fruchtbaren Ebenen im Süden ein. In nur wenigen Jahrhunderten dehnten sie ihr Herrschaftsgebiet über den ganzen Kontinent aus.
Von den Inseln der Magier über die Städte der Finsternis bis zu den wilden Bergstämmen der Maqára konnte niemand ihrer militärischen und kulturellen Macht widerstehen. Ihre Sprache und ihre Götter verbreiteten sich unter allen Völkern, mit denen sie in Kontakt traten.
Übersichtskarte

Dabei kamen sie weder als eine große Gruppe von Invasoren, noch waren die Fergiartu, die dem späteren Herrschaftsgebiet ihren Namen gaben, der einzige Stamm. Vielmehr begann die Einwanderung dieses Volkes wahrscheinlich schon mehrere Jahrhunderte, bevor das erste fergiartische Königreich im Westen entstand. Und so ist zum Beispiel der vielfältige Pantheon der Fergiartuya Ausdruck der Verschiedenheit der "fergiartischen" Stämme. Auch in sozialer Hinsicht waren die Stämme durchaus unterschiedlich strukturiert, auch wenn die Krieger zumindest in der Anfangszeit die führende Rolle inne hatten. Ein Volk auf der Wanderschaft kommt nicht ohne eine militärische Führungselite aus, die das Gros des Volkes, der Männer, Frauen und Kinder vor eventuellen Gefahren beschützen kann - seien es nun Tiere, Naturgewalten oder andere Krieger. Zumindest hier waren eine klare Aufgabenteilung notwendig, sowie die besondere Fähigkeit zusammenzuarbeiten.

Es ist unbekannt, wie die Fergiatuya während der Wanderschaft gegliedert waren oder was die Transportmittel waren; wie aus den Funden erkenntlich, dürften Pferde eine Hauptrolle gespielt haben - ob nun als Reit- oder Transporttiere. Schließlich gab es im Ursprungsgebiet der fergiartischen Stämme keine Großmächte, die irgendetwas darüber berichten konnten. Auch auf dem großen Kontinent, den sie besiedeln sollten, nahm zunächst niemand etwas von ihrer Ankunft wahr. Das naheliegendste kulturell höherstehende Gebiet, die Inseln der Magier, lagen noch immer zu weit von der Landbrücke im Nordwesten entfernt, als daß man die Neuankömmlinge bei ihrer Ankunft hätte beobachten können. Die Völker, die zunächst mit den Fergiatuya in Berührung kamen, kannten dagegen keine Schrift. Zudem dürfte hier eine allmähliche Durchsetzung mit den Fergiatuya stattgefunden haben, bevor irgendjemandem die Zusammengehörigkeit der plötzlich hier und da auftretenden Menschengruppen auffiel. Es ist jedenfalls aus dieser frühen Zeit -- auch in Sagen und Volksgeschichten -kein Bericht des Auftretens einer neuen Volksgruppe bekannt, etwa einer Schlacht mit plötzlich auftretenden Eroberern.

Allein drei bedeutende Fundstellen aus dem Gebiet, in dem später das erste fergiartische Reich existierte, weisen auf die Anwesenheit der neuen Volksgruppe aus dieser Zeit hin. Bei Remayêka legte man eine als "Fürstengrab" bezeichnete Beerdigungsstätte frei. Bei der männlichen Leiche, die mit dem Kopf in Richtung Osten bestattet wurde, fand man Schafs- und Pferdeknochen, mehrere Bronzeklingen und eine kleine Votivstatue aus gebranntem Lehm. Anscheinend hatte man mit dem Mann einige seiner Tiere bestattet - oder man tötete die Tiere, um die Anteilnahme des Stammes auszudrücken. Die Bronzeklingen sind an sich kein besonderes Zeichen für die Zugehörigkeit des Mannes zu den Fergiartuya, deuten jedoch zumindest auf seinen sozialen Status hin. Am Interessantesten ist jedoch die Votivfigur, die wohl einen Gott darstellen soll. In der rechten Hand hält die Figur eine Schlange und in der Linken einen Dolch. Man hat diese Votivfigur mit dem Gott Ohisa in Verbindung gebracht, dem Hauptgott des Schlangenkults.
In der Bucht von
Valyêkana wurde eine Siedlung freigelegt, wobei man aus den Pfostenlöchern auf ein Zeltdorf oder einfache Lehmhütten schloß. Auch hier fand man wiederum Tierknochen, allerdings legte man kein Fürstengrab frei. Statt dessen stieß man auf glasierte Tonscheiben mit Verzierungen in Form von ineinander verwundenen Schlangenlinien, verschiedene Arten von Bronzeschmuck und -klingen. Bei einer Männerleiche fand man einen mit einer dreizackigen Krone versehenen Holzstab. In der Krone vermutet man einen primitiven Vorläufer der dachförmigen Krone, wie sie die Szepter der Parshu der Fergiatu in späteren Zeiten zierten. Man spricht deshalb in Fachkreisen vom "Grab des Königs von Valyêkana". Eine weitere Männerleiche wies eine Schädelfraktur auf, die man mit der aus der Frühzeit des ersten fergiartischen Königreiches bekannten Sitte in Verbindung brachte, den Priestern nach ihrem Tod die Schädeldecke aufzuschlagen um die Seele entweichen zu lassen.

Bei Egarsa dagegen fand man eine Schmiede und weiter im Gebirge einen Bergwerksstollen. Dieser Fund dürfte aus späteren Zeiten stammen, als die ersten Fergiatuya bereits seßhaft geworden waren; allerdings wahrscheinlich noch vor der Reichsgründung. Der für unsere Zwecke wichtigste Fund ist dabei ein Brandaltar, auf dem wohl Ziegen und Schafe geopfert wurden. Und genau dieser Brauch ist aus der Zeit der ersten Reichsgründung bekannt, wo der Gott Puranka einer der Hauptgötter war. Von diesen Brandaltären wird berichtet, daß die Knochen sowie etwa ein Drittel der Tiere (darunter Herz, Galle und der Schädel) dort als Opfer für den Gott verbrannt wurden, während sich die Kultgemeinde an den Resten gütlich tat. Einige Topfscherben weisen eine ähnliche Glasierung auf wie die bei Valyêkana.
Weiter im
Südosten, etwas westlich der Inseln der Magier, stieß man auf Funde, die auf ein Vordringen der Fergiatuya in dieses Gebiet hinweisen. Die Funde stammen aus der Zeit, als weiter nordwestlich das erste Königreich entstand. Weitere Funde aus der Spätzeit des ersten Königreichs zeugen von einem weiteren Vordringen der Fergiatuya nach Süden. In der Bucht an der "Straße von Ghormas" stieß das Interesse der Forscher vor allem auf zwei Fundorte. Beidesmal handelt es sich um befestigte Orte, die in späterer Zeit jedoch verlassen wurden. Anscheinend hatte hier irgendeine militärische Auseinandersetzung stattgefunden, denn beide Orte wiesen Spuren von großen Bränden auf. Zerborstene Töpferware und etliche Funde von Leichen und Waffen deuten in die gleiche Richtung. Offensichtlich besaßen auch diese fergiartischen Stämme zu dieser Zeit schon Streitwagen. Erkenntlich sind diese Streitwagen an der typisch leichten Bauweise, da die fergiartischen Streitwagen meist ein mit Leder verkleidetes Gerüst besaßen, als Zweispänner konstruiert waren und die Deichsel auf einem Zapfen gelagert war, was die Streitwagen sehr wendig machte.

Zweihundert Jahre nach der Entstehung des ersten Königreiches tauchen die ersten Spuren der Fergiartuya auch bei den Hochkulturen der damaligen Zeit auf. In der Stadt Quariyána, der westlichsten Stadt der Finsternis, sind Handelsverzeichnisse gefunden worden, auf denen mehrmals die Namen fergiartischer Händler auftauchen. So ist zum Beispiel von einem Egaruwuna aus Katarakeneweta verzeichnet, daß er im dritten Jahr nacheinander mit eriner großen Wagenladung Stoffe in die Stadt gekommen war. Da die Bewohner von Quariyána eine Silbenschrift besaßen, lässt sich der Name der Heimatstadt des Händlers als Katraknêta identifizieren; tatsächlich gehörte diese Stadt zu den jüngsten Gründungen des ersten fergiartischen Reiches und ist später unter dem Namen Katrêta zu einigem Wohlstand gelangt. Der Name des Händlers muß übrigens Egrûna (oder Egarûna) gelautet haben.

Es läßt sich aus dem oben gesagten also schließen, daß die ersten fergiartischen Stämme sich zunächst im Nordwesten des Kontinents niedergelassen haben. Trotzdem drangen andere Stämme weiter nach Süden und Osten vor. Während sich imWesten das erste fergiartische Königreich etablierte, stießen diese Stämme bis zum anderen Ende des Kontinents vor.
Ironischerweise begann die eigentliche Expansion der fergiartischen Stämme mit dem Zusammenbruch des ersten Königreiches.